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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Augen steht, auf dem teuflischen Tanzplatz gesehen hast?‹
    Grete: ›Ja, Herr Doktor, denn was soll und kann ich denn anderes machen, als das zu sagen, was ich weiß und was ich in der Folter gelehrt worden bin.‹
    Doktor: ›Nun gehe du, Grete, hinaus aus dem Gericht und lasse dir deine Sünde Leid tun. Dann sollst du ein Kind des ewigen Lebens werden.‹
    Grete: ›Meine Sünden tun mir Leid, und dafür muss ich leiden und sterben.‹
    Doktor: ›Der Herr Jesus Christus sei mit dir, Gretchen. Er stärke dich im Glauben und vergebe dir deine Sünde.‹
    Grete: ›Gott behüte Euch, Herr Kommissar, und dir, Thönnissen, sage ich: Lasse dich nicht peinigen und bekenne.
    Ich habe es tun müssen und du wirst es ohne Zweifel auch.‹«
    Löher atmete tief durch. Einen Doktorhut auf dem Kopf, aber nichts als Läuse darunter! Mit welch bodenloser Dummheit überführte sich der gelehrte Doktor Schultheiß selbst und wie bekannt kam ihm das vor! Vielleicht hatte die Grete den Thönnissen sogar tanzen gesehen, auf der Kirmes, dem Maitanz, in der Fasnacht oder sonst irgendwo. Aber sie hätte sich verplappern oder der Schafhirte sie in die Enge treiben können. Da sorgten sie schon vor, die Herren Zauberdoktoren, indem sie die Umstände der Gegenüberstellung vorher mit den Zeugen absprachen und befahlen, nur auf die von ihnen gestellten Fragen zu antworten.
    Hermann Löher sah auf seine faltigen Hände und richtete sich dann auf. »Es wird Zeit, dass ich es hinter mich bringe! Kannst du mir das Buch leihen?«
    »Was willst du denn damit? Ich meine, wo dein Latein nicht besonders ist und der Schultheiß hie und da recht geschwollen daherkommt?«
    »Der Sohn eines meiner Neffen studiert, er soll es mir übersetzen! Wie heißt das Buch von diesem Goe…?«
    »Goehausen? ›Processus juridicus contra sagas et veneficos‹,
    ›Rechtsprechungsprozess gegen Hexen und Zauberer‹!«
    »Natürlich! Auch Latein! Na, da wird sich der Junge freuen!«
    »Das braucht er nicht zu übersetzen. Es gibt eine deutsche Ausgabe, allerdings ist da nicht Goehausen als Verfasser angegeben, sondern ein Doktor Paul Laymann. Ich weiß nicht, wo ich es hingesteckt habe.« Dabei deutete er auf das Regal hinter sich, in dem kein Finger breit Platz war und vor dem sich die Bücher kniehoch stapelten.
    »Komm morgen oder übermorgen wieder, ich suche es!«

    Hermann Löher hatte es nicht sonderlich eilig, nach Hause zu kommen. Er nahm einen Umweg zur Ouden Kerk, wo seine erste, vor dreizehn Jahren verstorbene Frau Kunigunde begraben lag. Vierundvierzig Jahre waren sie zusammen gewesen, hatten Freud und Leid geteilt, acht Kinder in die Welt gesetzt und allen Widrigkeiten zum Trotz
    großbekommen.
    Löher bekreuzigte sich und blieb vor der Grabplatte stehen.
    »Gunde, ich muss etwas mit dir besprechen!«, sagte er stumm. »Mir bleibt nicht mehr allzu viel Zeit auf dieser Erde, wir werden uns bald Wiedersehen, das spüre ich. Aber ich kann nicht gehen, ohne es für die Nachwelt aufzuschreiben.
    Ich habe mich mitschuldig gemacht an dem, was damals geschehen ist. Viel zu lange habe ich den Mund gehalten aus Rücksicht auf die noch Lebenden, die oft unverschuldet in dieses Räderwerk geraten sind. Inzwischen sind die meisten von ihnen vor den ewigen Richter gerufen worden, vor dem ich auch bald stehen werde. Hermann, wird er mich dann fragen, warum habe ich dich nach Rheinbach geschickt? Um verschämt zu schweigen, anstatt deine Stimme zu erheben?«
    »Deine Frau? Was meint sie dazu?«, fragte Kunigunde und er spürte ihre Besorgnis.
    »Ach, Gunde«, antwortete er, »sie weiß noch nichts davon, aber sie ist sicher dagegen. Du weißt, es war keine Liebesheirat, aber ich konnte die Tringen nach dem Tod unseres Nachbarn doch nicht allein mit fünf Kindern dastehen lassen, das jüngste erst ein Jahr alt. Da habe ich sie halt irgendwann gefragt.«
    »Na, na, Hermann, so ganz stimmt das nicht. Mir brauchst du nichts vorzumachen!«
    In ihren Augen saß dieser verschmitzte Schalk, den er an ihr so gemocht hatte.
    »Du hast ja Recht«, räumte er ein. »Natürlich war sie eine gute Partie. Wenn du es ganz genau wissen willst, fünftausendzweihundertneunzehn Gulden hat sie mitgebracht.
    Das lässt sie mich auch spüren und auf dem Geld sitzt sie wie eine Glucke auf den Eiern.«
    »Das hättest du wissen müssen, du kanntest sie lange genug.
    Und dann das Alter, schließlich bist du jetzt achtzig!« Es klang ein wenig vorwurfsvoll.
    »Ja, so richtig passen wir wirklich

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