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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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nicht zusammen. Über vierzig Jahre Unterschied, da reibt man sich halt mehr als nötig!«
    »Dazu kommt noch deine Sturheit! Die wurde im Alter bestimmt nicht besser!«
    »Ich würde es lieber Beharrlichkeit nennen!«, versuchte er sich zu rechtfertigen.
    »Das kann ich wohl besser beurteilen! Meistens war es doch so, dass ich um des lieben Friedens willen nachgegeben habe!«
    Ihre Stimme schwang sanft in Löhers Kopf, war trotz des Tadels nachsichtig und milde.
    »Entschuldige. Du hast bestimmt genug Kummer mit mir gehabt!«
    »Ist schon gut. So schlimm war es nun auch wieder nicht!«
    »Wenn ich das Buch schreibe, brauche ich Geld, doch ich habe keines. Was soll ich tun?«
    Die Antwort kam nicht spontan, ließ eine Weile auf sich warten. »Ein Drucker wird kaum das Risiko eingehen, das Buch eines Greises zu finanzieren, der noch nie eine Zeile veröffentlicht hat. Schreib also nicht Hunderte von Seiten, ein kleines Büchlein tut es ebenso. Kauf das Papier auf eigene Rechnung, damit sparst du den Aufschlag beim Drucker. Wenn du nicht gerade mit der Tür ins Haus fällst, sondern behutsam vorgehst, wird dir Tringen vielleicht etwas Geld geben oder zumindest vorstrecken.«
    Ja, so müsste es gehen. Der alte Mann berührte die Grabplatte, machte ein Kreuzzeichen und verließ die Kirche.

    23

    Man schrieb das Jahr 1631. Über dem Städtchen Rheinbach, etwa vier Stunden Fußmarsch von Bonn entfernt, spannte sich ein juniklarer Sternenhimmel. Die Luft war samtig, ein paar Katzen streunten um die Hausecken, durchsuchten Abfälle und fauchten neidisch, wenn ihnen eine andere zu nahe kam.
    Hermann Löhers Schritt war fest und sicher, sein Verstand hellwach und kein noch so leichtes Schwanken verriet, dass er mindestens eineinhalb große Krüge Wein geleert hatte.
    Angefangen hatte alles drüben in Schweinheim, wo eine angeklagte Frau Rheinbacher Bürger der Hexerei beschuldigt hatte. Als Erste wurde die Magd des Bauern Hilger Lirtz verbrannt, ihr folgte die mittellose Grete Hardt. Der Rheinbacher Amtmann Degenhard Schall von Bell hatte sich nach Bonn gewandt und um die Entsendung eines Spezialisten für Hexenfragen angefragt. Es kam der Kommissar Doktor Franz Buirmann – und der griff hier durch. Aber wie! Der Schöffe Löher hätte viel darum gegeben, wenn er das alles nicht hätte miterleben müssen.
    Er betrat sein Haus durch das Kontor, in dem sich die Wollballen stapelten, holte einen Krug Wein aus dem Keller und stapfte über die Holztreppe nach oben. Wortlos betrat er das Wohnzimmer und ließ sich schwer auf die Bank fallen.
    Kunigunde sah ihn erschrocken an, wie er da hockte, das Gesicht selbst im schwachen Schein der Tranlampe erkennbar bleich, den Blick in finsterer Starre auf den Tisch gerichtet.
    Es musste etwas Schlimmes passiert sein, so hatte sie ihn noch nie gesehen. Sie wagte nicht einmal, ihn danach zu fragen.
    »Sind die Kinder im Bett?«
    Sie nickte.
    »Ja, schon eine Weile!«
    Er schwieg wieder, stierte weiter dumpf vor sich hin. Seine Hand tastete nach dem Weinkrug, den er wie geistesabwesend zu sich herzog. Er schenkte erst gar nicht in den Becher ein, sondern setzte den Krug an den Mund und begann wie ein Verdurstender zu trinken. Es nutzte nichts. Sein Verstand ließ sich nicht betäuben.
    Ganz langsam hob er den Blick und sah seine Frau an. »Die Böffgen!«, sagte er dann.
    »Was ist mit der Böffgen?«
    »Die Christine Böffgen. Sie ist tot!«, gab er müde zur Antwort.
    Kunigunde sah ihn ungläubig an. »Aber sie ist erst vor ein paar Tagen verhaftet worden. Es ist doch noch kein Urteil…«
    »Das Urteil hat der Teufel gesprochen!«, unterbrach sie ihr Mann. »Er hat ihr das Genick gebrochen, behauptet jedenfalls der Buirmann.«
    Nun brach es aus ihm heraus. Es scherte ihn nicht mehr, dass er als Schöffe zu Verschwiegenheit verpflichtet war, dass er nicht einmal mit seiner Ehefrau darüber reden durfte. Mit dem nur wenig älteren Jan Thynen war er im Gasthaus gewesen, hatte dort versucht, sich zu betrinken. Aber mit dem vernünftig sprechen zu wollen, war sinnlos gewesen, der war schon sturzbesoffen und stand zudem auf der Seite Buirmanns. Er brauchte jemanden Vertrauten, bei dem er nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen musste.
    »Trotz der Qualen hat sich die Böffgen dagegen gewehrt, die Unterstellungen des Kommissars zu bestätigen. Der Henker hat sich dann geweigert, die Folter noch zu steigern, und dem Buirmann versichert, es bestehe die Gefahr, dass sie die Tortur nicht überleben

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