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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Glubschaugen an und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ja«, stimmte er zu, »heute werden wir wohl noch nichts aus ihm
    herausbekommen. Dazu ist er zu verstockt!«
    »Bringt ihn zurück ins Gefängnis!«, gab der Amtmann den Befehl. Während der Henker und der Bote Koch den halb bewusstlosen Hilger Lirtz vom Folterstuhl holten, wieselte Buirmann hinüber zu den Schöffen, nahm Jan Thynen und Dietrich Halfmann zur Seite und sprach auf sie ein. Zu gern hätte Hermann Löher gewusst, was sie zu tuscheln hatten. Er versuchte möglichst nahe an ihnen vorbeizugehen, als sein Blick zufällig auf Halfmanns Beinkleider fiel. Sie waren durchnässt und der Boden darunter glänzte feucht. Löher tat so, als ob er etwas vergessen habe, ging zurück und bückte sich unter den Schöffentisch. Dort, wo der Halfmann gesessen hatte, war ein große Pfütze.
    »Das sieht ihm ähnlich«, sagte er draußen zu Gertzen, der es ebenfalls bemerkt hatte, »aus Angst davor, vom Buirmann gerüffelt zu werden, geht er nicht auf den Abtritt, sondern pinkelt lieber in die Hose!«
    Der nächste Tag war Fronleichnam. Von den beiden
    Pfarreien St. Martin und St. Gregor läuteten feierlich die Glocken. Schalmeien, Flöten und Pfeifen wechselten mit dem getragenen Klang von Violinen, Musketenschüsse und Böller ließen die Luft erzittern, Burschen- und Bruderschaften zogen mit wehenden Fahnen durch Rheinbach – voran jeweils zwei Trommler –, Chöre und Priester sangen ergreifende Lieder auf Deutsch und Lateinisch, junge Frauen in ihren Festgewändern beteten den Rosenkranz, Schulmeister dirigierten die Singscharen der Kinder, die mit Blumen geschmückten wertvollen Kreuze der beiden Pfarreien wurden begleitet von jeweils zwei Jungfrauen, denen gemessenen Schrittes vier stattliche Männer mit den Bildern der Pfarreipatrone folgten.
    Bettler, Krüppel, Invaliden fädelten sich in den Umzug, wer nicht mehr gehen konnte, wurde auf einer Bahre vors Haus getragen oder auf einen Schemel gesetzt. Es war das erste Mal seit über fünfzig Jahren, dass Hilger Lirtz nicht in der Prozession mitschritt. Stattdessen saß er auf dem Peinstuhl, ihm gegenüber Doktor Buirmann. Der Henker nutzte die Zeit, in der das Geläut der Glocken möglicherweise nach außen dringende Schreie des Gefolterten übertönen würde. Auch den beiden Franziskanern war das Fest des Leibes und des Blutes Christi gleichgültig, sie hielten sich lieber an die irdischen Genüsse. Vom Absingen frommer Psalmen wurde man
    schließlich nicht satt und vom gestrigen Abend war im Gerichtssaal noch genug übrig. Dass der Kommissar den Lirtz ausgerechnet an einem hohen kirchlichen Feiertag der Marter unterzog, war für sie daher kein wirkliches Ärgernis oder gar Grund zur Empörung. Langsam verebbte der Glockenklang, nur noch vereinzelt und unregelmäßig schlugen die Klöppel, dann verstummte das Geläut vollends, um gleich darauf mit dem Stundenschlag wieder einzusetzen. In der Kammer war nur das keuchende Atmen des Hilger Lirtz zu hören, draußen lachten die beiden Bettelmönche mit den Schöffen Thynen und Halfmann über irgendeine Zote.
    Der Hexenrichter ließ den Bauern nicht aus den Augen, belauerte ihn wie eine Katze die Maus. »Was machst du da?«
    Buirmann hatte bemerkt, wie sich die Lippen seines Opfers kaum merklich bewegten.
    »Zählst du Zauberer die Stunden und berechnest die Zeit der Folter?«
    Hilger Lirtz nickte matt.
    »Das kann und wird dir Erzzauberer nicht helfen!«
    »Es wird mir wohl helfen! Denn wenn ich die Folter noch fünf oder sechs Stunden aushalte, dann habe ich sie nach dem kaiserlichen Recht ausgestanden und Ihr Schinder müsst mich losbinden und freilassen!«
    Buirmann trat ganz nahe an ihn heran, seine Augen funkelten kalt, dann verzog sich hämisch sein Gesicht. »Dich laufen lassen? Wegen eines alten und schon längst von der Praxis überholten Gesetzes? Nein! Wenn du schon auf so etwas spekulierst, wirst du nach meinem Willen nochmals vierundzwanzig Stunden auf dem Peinstuhl sitzen – und das wieder und wieder, so lange, bis du deine Zauberkunst zugibst und deine Spießgesellen bekennst!«
    Abrupt drehte er sich weg und wartete. Draußen endete der Abgesang eines Evangeliums, Böller erschütterten die Luft und die Prozession nahm mit Trommeln, Schalmeien und
    Flötenspiel ihren Fortgang.
    Buirmann gab dem Henker ein Zeichen, zum Lirtz sagte er:
    »Wir setzen jetzt die Tanzstunde von gestern fort. Ist es dir nicht aufgefallen? Da draußen fehlt ein

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