Die Lichtfaenger
das ganze Verfahren an Euch, das ist gesetzeswidrig…«
Im Saal kam zustimmendes Murmeln auf.
»Recht hat er!«, rief Herbert Lapp. »Wir werden hier regelrecht…«
Erpresst und eingeschüchtert, wollte er sagen, doch so weit kam er nicht.
»Recht hat er!«, äffte ihn Buirmann nach, fixierte zuerst noch den Vogt und schoss dann wie eine Muräne hinüber zum Schöffen Lapp.
»Ja, Recht hat er!«, wiederholte er, diesmal hohntriefend.
»Deswegen bin ich da. Weil es sich bei Hexerei um ein Crimen exceptum handelt, um ein außergewöhnliches Verbrechen also, das anders behandelt werden muss als ein Eierdiebstahl! Weil Ihr alle nicht wisst, wie man da vorzugehen hat! Und genau deswegen bin ich hier, weil ich ein Spezialist bin, der bis jetzt schon etwa fünfzig Hexen und Zauberern ihr Handwerk gelegt hat. Ließe man Euch allein machen, würdet Ihr nicht einmal die Hälfte finden und Euch womöglich noch gegenseitig decken! Ich hingegen brauche keine Rücksichten zu nehmen und nehme sie auch nicht! Um es ein für alle Mal
klarzustellen: Wer mich behindert, behindert das Gericht und damit die Wahrheitsfindung! Wer das tut, hat wahrscheinlich gute Gründe dafür!«
Kommissar Buirmann trat so weit zurück, dass er sie alle auf einmal mit seinen kalten Fischaugen erfassen konnte.
»Nochmals zum Lirtz! Wer ist dagegen?«
Alle schwiegen.
Zur vereinbarten Zeit, um drei Uhr nachmittags, fanden sie eine reichlich gedeckte Tafel und einen beinahe fröhlichen Franz Buirmann vor. Gebratene Koteletts vom Lamm in Kräutern, Schweinefleisch mit Waldpilzen, graues, frisches Brot, rotbraune, pralle Würste, durch deren Haut weiß das Fett schimmerte, geräucherte Fische und süßsaure Hühnerschenkel.
Wein stand in großen Krügen bereit, und wer Bier wollte, dem wurde es aus dem nahen Gasthof geholt. Wie es schien, würde es ein längeres Verhör werden. Am Tisch saßen zwei Bettelmönche und machten derbe Witze. Nach Rheinbach waren sie gekommen, weil auch hier etwas für sie abfallen würde. Die beiden folgten dem Hexenrichter Buirmann wie die Geier einem reißenden Raubtier.
»Lasst es Euch munden!«, forderte der Kommissar die Männer auf und wies den Boten an, Hilger Lirtz
hereinzuführen.
»Ihr seid also der Hilger Lirtz?«, begann er gleich darauf das Verhör.
»Wer soll ich denn sonst sein? Jeder hier kennt mich!«, knurrte der blinde Bauer zurück und wandte den Kopf dorthin, woher die Stimme kam.
»Na ja, das ist reine Formsache. Nicht dass wir den Falschen, womöglich einen Knecht, vor uns haben!«
Es sollte lustig klingen, aber niemand lachte.
»Also dann, Hilger Lirtz, gebt Ihr zu, ein Zauberer zu sein?«, fragte er nun streng.
»Der Schwiegervater meines Sohnes ist kein Zauberer!«, schrie Johann Bewell auf, während er in die Höhe sprang und mit der Faust auf den Tisch schlug.
Buirmann fuhr herum wie eine in den Schwanz gezwickte Natter. »Johann Bewell!«, brüllte er. »Ihr seid hier Schöffe!
Denkt daran! Wenn Ihr noch ein einziges Mal Partei ergreift, werde ich veranlassen, dass Euch der Amtmann aus dem Saal wirft! Das gilt auch für jeden anderen!«
Dietrich Halfmann nickte bestätigend und der neben Bewell sitzende Thynen meinte flüsternd und mit beschwichtigendem Lächeln zu diesem, der Kommissar habe Recht, das müsse er verstehen.
Nach kaum einer Stunde verlor der Kommissar die Geduld.
Barsch wies er die beiden Bettelmönche an, den starrhalsigen Angeklagten zu exorzieren, und als das nicht half, befahl er dem Henker, die Nadelprobe vorzunehmen. Die gebrauchten Nadeln legte der Henker in den aufgeklappten Deckel des Kästchens, in dem er sie aufbewahrte. Hatte nicht eine der Nadeln einen leicht rötlichen Schimmer? Und die dritte von links, die sah doch auch anders aus!
Hermann Löher stand auf, das wollte er genauer sehen. Es war, wie er vermutet hatte. An einigen der Nadeln war Blut, an anderen nicht. Buirmann schob ihn sofort zur Seite, schimpfte, er würde im Licht stehen, befahl dem Henker, die blutigen Nadeln abzuwischen, und als Löher protestieren wollte, wurde der Kommissar richtig zornig.
»Was versteht denn Ihr davon? Nichts! Das müsst Ihr alle noch lernen, alle zusammen. Hat keine Ahnung und kritisiert mich! Ausgerechnet auch noch der jüngste und ahnungsloseste Schöffe!« Buirmann war empört. »Also gut, ich erkläre es Euch. Bei einigen Stellen ist kein Blut ausgetreten, was ja, wie es der Doktor Ostermann aus Köln für jeden nachlesbar in seinem Buch dargelegt
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