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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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es nicht unglaublich? Seit zwei Jahren mache ich jetzt schon in Zwiebeln, jeden Gewinn habe ich sofort wieder in Scheinen angelegt!«
    »Dann seht zu, dass Ihr das Zeug schleunigst loswerdet!«, meinte Löher nicht sonderlich freundlich.
    Stelzler lachte. »Im Gegenteil! Einen Kredit werde ich aufnehmen und mir noch ein paar Anteile zulegen! Ich müsste ja verrückt sein!« Obwohl weit und breit niemand auf der Straße war, senkte er seine Stimme. »Die Viseroij steht bei etwas über vier, die geht noch hoch auf fünf! Glaubt mir, Viseroij ist nicht nur hundert-, sondern tausendprozentig!«
    Löher versuchte seinen Nachbarn und Landsmann davon abzubringen. Der aber fing an sich zu verhalten wie die Gertrud Lapp, als Löher sie zur Flucht hatte überreden wollen.
    Auch der Silberschmied wurde beinahe feindselig und in seinen Augen stand jenes Glimmen, das in jedem Moment ein Pulverfass zur Explosion bringen konnte.
    Zwei Tage darauf kam Stelzler herüber und erzählte stolz, er habe sein Haus verpfändet und alles in Viseroij-Zwiebeln investiert. Er schwärmte von den Farben und der feinen Maserung, die wie Flammen im Kelch hinaufzüngeln würden, und drang auf Löher ein, sein Geld doch ebenfalls in Zwiebeln anzulegen. Erleichtert atmete dieser auf, als der Nachbar endlich die Haustür hinter sich zuzog. Noch weitere zwei Tage hielt Stelzlers Euphorie an, danach wurde sein Gesicht erst lang, dann immer länger. In den Hinterzimmern der Bier- und Weinschenken wurden nun Zwiebeln und Anteilscheine in Mengen angeboten wie nie zuvor – nur kaufen wollte niemand mehr. Manch einer sah ein, dass er vielleicht doch ein wenig überreizt hatte, senkte den Preis widerstrebend um zehn Prozent, aber ein anderer lag inzwischen schon um zwanzig Punkte darunter und wieder ein anderer verlor vollständig die Nerven und bot die Zwiebeln zur Hälfte des ursprünglichen Gebots an. Die Tage wurden kurz und die Nächte schlaflos.
    Stelzler sah aus wie ein Schatten seiner selbst. Die Preise stürzten in der Geschwindigkeit eines vom Kirchturm herabgeworfenen Ziegelsteins. Die Zwiebeln waren wertlos, kaum einmal geschenkt wollte sie jemand, und die
    Anteilscheine waren noch wertloser als das alte
    Zeitungspapier, mit dem sich die Löhers den Hintern wischten.
    Zwei Wochen später hatten die Stelzlers ihre Habseligkeiten auf einen kleinen Leiterwagen geladen und waren gerade dabei, möglichst ohne großes Aufsehen aus der Koningstraat zu verschwinden, als es an Löhers Haustür klopfte. Am Postboten vorbei sah Löher seine Nachbarn. Am Tag zuvor hatte er versucht, ihnen Hoffnung und Trost zuzusprechen, aber der Silberschmied war finster, mit Gift im Blick, einfach nur dagestanden, hinter ihm seine tränenlose Frau und die plärrenden Kinder. Und ausgerechnet jetzt musste der Bote die Post bringen. Hermann Löher wollte zum Abschied grüßen, machte einen Schritt hinaus auf die Straße, doch der Stelzler wandte sich mit einem Ruck ab.
    Während Löher ins Haus zurückging, sah er halb in Gedanken um die unsichere Zukunft der Nachbarn die Post durch, dabei stach ihm die Handschrift von Johann Freylink ins Auge. Kaum in der Stube, riss er den Umschlag auf und begann zu lesen. Seine Gesichtsfarbe wechselte dabei zum Rot reifer Hagebutten.
    »Gunde!«, rief er in einem Ton, der keinen Aufschub duldete, in den Flur. »Komm her! Da!« Mit einer zornigen Bewegung schob er ihr den Brief über den Tisch. »Von Freylink! Sie haben den Schwegeler zu Tode gefoltert! Selbstverständlich hat ihm, wie schon der Witwe Böffgen, der Teufel das Genick gebrochen, damit er seine Konsorten nicht verraten kann. Auf den Schinderkarren, mit dem man die Tierkadaver aus der Stadt schleift, haben sie seinen Leichnam geworfen, seine eigenen Pferde davorgespannt und ihn anschließend mit Holz aus seinem eigenen Wald zu Asche verbrannt. Sein Vermögen, das er den Rheinbacher Armen zugedacht hatte, haben sie sich unter den Nagel gerissen!«
    Löher schwieg einen Moment und sein schmales
    Kinnbärtchen klappte nach vorn. »Viehisch! Vor keiner Scheußlichkeit scheuen sie mehr zurück! Schickt die Buirmanns, Schultheißens, Moedens, von der Stegens zusammen mit den Heimbachs, Rohrs, Beils und wie sie alle heißen ins Feuer – und es ist Ruhe! Keine einzige Hexe und keinen einzigen Zauberer wird es dann mehr geben in Rheinbach oder Flerzheim!«

    31

    Eigentlich waren sie beide froh, als es endlich vorbei war.
    Sandy war mit dem praktischen Sinn, den man sonst eher den

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