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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Geflucht wurde in Nederduitsch, Flämisch, Alblasserwaardisch, Brabantisch, Rheinisch, Jiddisch, Friesisch. Hälse reckten sich, Köpfe zuckten wie die pickender Hühner hin und her, Hände bohrten sich in die rauchgeschwängerte Luft und aus verzerrten Mündern kamen Schreie, als ob es um das nackte Leben ginge.
    Hermann Löher stand auf einem Stuhl, um das Getümmel besser überblicken zu können. Am anderen Ende des Raumes sah er einen Mann erhöht hinter einem Tisch, den seitlich leicht aufgerollten und mit einem breiten Goldband verzierten Hut nach hinten geschoben und, wie es schien, ziemlich stark schwitzend.
    »Wer ist das?«, fragte Löher seinen Nachbarn in einem Augenblick, in dem es kurz ruhiger wurde.
    »Rutger Boogaard, ein Blumenhändler aus Haarlem!«, antwortete dieser, ohne den Kopf zu wenden.
    »Achttausend! Zum…« Weiter kam Boogaard nicht.
    »Neuntausend!«
    »Neuntausendfünfhundert!«
    »Zehntausend!«
    »Elftausend!«
    »Elftausendzweihundert!«
    Bei achtzehntausend ging plötzlich der goldbebänderte Hut in die Höhe.
    »Halt!«, rief der Blumenhändler. »Da ist jemand ohnmächtig geworden! Wir unterbrechen bei achtzehntausend!«
    Niemand rührte sich, keiner war bereit, auch nur um einen Zoll von seinem Platz zu weichen. Alle schienen wie am Boden festgeschraubt. Nach längerem Palaver kamen die in unmittelbarer Nähe des Bewusstlosen Stehenden überein, diesen über die Köpfe hinweg zur Tür durchzureichen.
    »Ist ein Doktor da?«, schrie vorn der Blumenhändler und fuchtelte aufgeregt mit seinem Hut.
    »Ich bin Medicus!«, meldete sich jemand neben dem Eingang. »Aber ich bestehe darauf, dass mein Platz freigehalten wird!«
    Löher fasste den Ohnmächtigen unter den Achseln, ein anderer packte dessen Beine, so trugen sie ihn in die vordere Gaststube und legten ihn auf einen Tisch. Der Arzt fühlte kurz den Puls, öffnete dann seine Tasche und holte ein Fläschchen hervor.
    »Riechsalz!«, sagte er beiläufig, hielt es dem Bewusstlosen unter die Nase, wobei er übergangslos weiterredete: »Es ist verrückt! Fünftausendvierhundert! Das war bis jetzt der höchste Preis für ein Stück! Der Boogaard ist ein Gerissener, er verkauft sie nicht einzeln, sondern nur alle drei Stück zusammen!«
    In die fahlen Wangen des Mannes kehrte etwas Farbe zurück, sein Atem wurde kräftiger und seine Lider fingen an zu zucken. Langsam schlug er die Augen auf, blickte ein wenig verwirrt, sah die Gesichter über sich. Erst nach und nach schien er zu begreifen, doch seine ersten Worte galten nicht seinem Zustand, er wollte nicht wissen, was mit ihm geschehen war. Noch im Liegen fragte er: »Sind sie weg?«
    »Nein«, antwortete der Doktor, »bei achtzehntausend hat man unterbrochen!«
    »Gott sei Dank!« Sichtlich erleichtert setzte sich der Mann auf. »Dann ist ja noch nicht alles verloren!«
    »Ihr habt da drinnen nichts mehr zu suchen! Ihr setzt Euch jetzt hier ganz ruhig an einen Tisch, trinkt ein Glas Rotwein und geht dann schnurstracks nach Hause, wo Ihr Euch sofort ins Bett legt!«, befahl der Arzt.
    » Können wir endlich weitermachen?«, kam es ungeduldig von der Tür zum Nebenzimmer her.
    »Gleich! Ich komme schon!«, rief der Doktor zurück und drückte seinen Patienten, der unbedingt weiter mitsteigern wollte, mit Löhers Hilfe grob auf einen Stuhl.

    »Dreißigtausend!«, dachte Löher auf dem Nachhauseweg.
    »Die sind verrückt geworden. Wo und wie soll das enden?«
    Immer noch durcheinander, betrat er sein Haus in der Koningstraat, das er kurz nach seiner Flucht nach Amsterdam erworben hatte und zusammen mit Kunigunde und seiner Schwiegermutter bewohnte. Ausschlaggebend für die Entscheidung, hierher zu gehen, waren die Empfehlung Freylinks gewesen und der Umstand, dass hier viele Deutsche ansässig waren.
    »Gunde, wo bist du?«, rief er, während er seine Schuhe auszog.
    »Wo soll ich sein? In der Küche!«, kam es zurück.
    Löher hatte es so eilig, dass er nicht einmal in seine Pantoffeln wechselte. »Stell dir vor! Dreißigtausend haben sie geboten! Dreißigtausend Gulden! Für drei Tulpenzwiebeln!
    Dreißigtausend Gulden für drei Zwiebeln! Geht das noch in den Kopf?« Er konnte es nicht fassen. »Ich habe mir einmal ausgerechnet, was man dafür kaufen kann! Das ist der Gegenwert von drei Häusern in bester Lage oder eines vornehmen Patrizierhauses direkt an einer Gracht! Oder einer Herde von über hundertzwanzig dicken, fetten Schweinen!
    Oder von zweihundertfünfzig Schafen oder

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