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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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kurzerhand weit weg in eine Schule in Pont-à-Mousson gesteckt, weil er ihren
    Machenschaften im Weg steht. Aber der Junge scheint nicht auf den Kopf gefallen zu sein und Schneid zu haben!« Loos konnte ein schadenfrohes Lachen nicht unterdrücken.
    »Jedenfalls hält er sie ziemlich auf Trab. Seine Erzieher werden mit ihm nicht fertig, fast jede Woche kommt ein Beschwerdebrief aus Lothringen!«

    3

    Ende 1589 war Binsfelds Traktat »Bekenntnisse der Zauberer und Hexen« in lateinischer Sprache erschienen und in Loos war kalte Wut aufgestiegen, als er es das erste Mal in Händen hielt.
    Der Denunziation und der Folter wurde darin das Wort geredet, der Besagung durch Kinder hatte der Weihbischof einen breiten Raum gewidmet, und den schwülstigen, salbungsvollen Ton empfand nicht nur Loos als abstoßend.
    Trotzdem fand das Werk reißenden Absatz.
    »Kein Buchladen ohne Binsfeldius«, bemerkte Linden sarkastisch, der soeben von einer Reise aus Münster über Köln und Aachen zurückgekehrt war.
    »Um die Ohren hauen sollte man ihm diesen Unsinn, und zwar so lange, bis das ganze Buch in Fetzen fliegt«, knurrte Loos. »Wisst Ihr, was er schreibt? Es wäre zum Lachen, wenn er es nicht ernst meinen würde. Er behauptet doch tatsächlich, Dämonen würden sich beim Beischlaf deswegen so eisig anfühlen, weil ihr Körper aus verdichteter Luft bestehe –
    ähnlich wie die Wolken. Wolken können sich aber in Flüssigkeit auflösen, sonst gäbe es ja keinen Regen. Das heißt, die Dämonen müssen sich vor wechselnden Temperaturen höllisch in Acht nehmen!« Loos lachte laut auf. »Besonders gefährlich wird es für sie demnach im Sommer bei schönem Wetter!«
    »Wie steht es schon bei Erasmus von Rotterdam?«,
    entgegnete Linden. »Unverstand ist so beliebt, dass die Menschen lieber alles verwünschen als die Torheit! Sie sind unersättlich, wenn es um Schauergeschichten geht, und je unwahrscheinlicher diese sind, desto bereitwilliger werden sie geglaubt und umso angenehmer juckt und kitzelt es in den Ohren! Das hat er schon vor achtzig Jahren geschrieben, aber geändert hat es nichts – im Gegenteil!«
    »Man müsste Binsfeld widerlegen. Punkt für Punkt!
    Sozusagen wie in einem Spiegel… genau so, wie er es macht, als Buch!«, murmelte Loos.
    Linden fuhr leicht zusammen. »Und wer soll das machen?
    Wer das tut, spielt mit seinem Leben. Die Leute wollen diesen Wahn, er ist so etwas wie Farbe in ihrem grauen Dasein, er beflügelt ihre Phantasie – das Hexenbrennen erregt sie, wie schon die Gladiatorenspiele im alten Rom die Menschen erregt haben! Wie rasende Wölfe werden sie über denjenigen herfallen, der es wagt, ihren Irrwitz als solchen zu bezeichnen und dagegen aufzustehen!«
    »Ich weiß!« Um Loos’ Lippen spielte ein spöttisches Lächeln. »Wir beide sind nicht die Einzigen, die das etwas klarer sehen, aber es ist wie in der Geschichte von der Katze und den Mäusen. Kennt Ihr sie?«
    Linden verneinte.
    »Die Mäuse leben in ständiger Angst vor dem großen Kater und beschließen einstimmig, dieser andauernden Bedrohung ein Ende zu machen. Eine der Mäuse hat den Einfall, der Katze eine Glocke umzubinden, und der Vorschlag wird von allen stürmisch begrüßt. Nur, als es darum geht, wer der Katze die Schelle umhängt, werden alle plötzlich sehr schweigsam. Und daher läuft die Katze bis heute ohne Glocke herum und die Mäuse leben weiter in beständiger Furcht!« Er hielt inne und sah dem Domherrn gerade in die Augen. »Ich werde ihr die Glocke umbinden!«, sagte er dann bestimmt.

    Loos wollte gerade über die knarzende Holztreppe in den ersten Stock hochsteigen, als sich hinter ihm die Tür zum Wohnzimmer der Witwe öffnete. Er blieb überrascht stehen, da dies so gar nicht der Gewohnheit seiner Vermieterin entsprach
    – schließlich hätte sie ja den Herrn Professor in einem wichtigen Gedankengang stören können.
    »Kann ich Euch bitte kurz sprechen? Nur einen
    Augenblick!«, bat sie fast unterwürfig mit zitternder Stimme.
    Als Loos näher trat, sah er, dass sie geweint hatte, und ahnte, was geschehen war.
    »Die Anna… die Anna Meisenbein…«, kam es stockend.
    »Haben sie sie verhaftet?«
    »Nein, noch nicht. Sie hat sich zuerst hier in der Gegend versteckt, ist aber, nachdem sie vom Amtmann Piesport aufgefordert wurde, vor Gericht zu erscheinen, nach Köln zu ihren Verwandten geflohen. Aber stellt Euch vor, einer ihrer Söhne hat angegeben, sie habe auf dem Tanzplatz damit geprahlt, ihren Mann

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