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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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paar der Gerichtsherren gerade hier außergewöhnliche Geduld bewiesen und Euch weitergeholfen, wenn sie glaubten, Ihr würdet Euch schämen, weiterzusprechen? Hat es Euch nicht beschäftigt, wie sie alles ausgemalt haben? Ihr habt geträumt, bis Ihr nicht mehr wusstet, ob es dabei Tag oder Nacht, wirklich oder eingebildet war? Haben Sie nicht einen Beichtvater geschickt, der Euch immer wieder zur Wahrheit ermahnt, der aber wie die Richter böse wird, wenn Ihr mit dem matten Aufflackern eines klaren Gedankens etwas aus Eurem Geständnis zurücknehmen wollt?
    Alle um Euch herum wollen es glauben, sie hängen an Euren Lippen wie die Wespen am Honigtopf, begierig drängen sie Euch zur Preisgabe weiterer Einzelheiten, je schauriger und wüster, desto glaubwürdiger. Eure Phantasie arbeitet unablässig, immer verrückter und wahnsinniger werden die Ausschmückungen, von denen Ihr inzwischen schon längst selbst überzeugt seid und die Ihr genauso glaubt wie die Richter, die nicht müde werden, Euch darin zu bestärken. Eure Wirklichkeit ist nur noch Eure Phantasie. Ihr seid schon längst wahnsinnig geworden, aber Ihr merkt es nicht. Gerade das verleiht Euren Aussagen Glaubwürdigkeit, da Ihr ob Eurer Schlechtigkeit selbst entsetzt seid!« Linden hielt einen Augenblick inne und blieb vor Loos stehen. »Er hat mit seiner Mutter geschlafen! Nicht wirklich, aber er wird es bei allen Heiligen beschwören, weil es in seinem Kopf wirklich geschehen ist! Sie haben ihn dazu gebracht!«
    »Was ist mit der Anna Meisenbein?«
    Linden zuckte mit den Schultern. »Auf Giftmord gibt es nichts anderes als die Todesstrafe! Gnade ihr Gott, wenn sie ihrer habhaft werden sollten!«
    »Ich denke, Köln ist weit genug weg!«
    »Übrigens, seine Exzellenz, der Wirrkopf – wie Ihr zu sagen pflegt –, war beim letzten Verhör persönlich anwesend. Er soll von der Ernsthaftigkeit des Buben sehr angetan gewesen sein.
    Ich war am Nachmittag in Sankt Paulin, der dortige Schultheiß, Doktor Botzemer, der auch Schöffe in Maximin ist, war ebenfalls von seiner reuigen Aufrichtigkeit sichtlich berührt!«

    Am 15. Mai 1590 wurde die von ihren beiden Brüdern ebenfalls der Hexerei bezichtigte Schwester und zweifache Mutter Maria hingerichtet. Hans Cuno wurde am 3. Juli 1590
    auf eigenen Wunsch hin verbrannt. Richter Piesport hatte ihm unter dem Eindruck seiner offen gezeigten Reue und seiner Geständigkeit den vorherigen Gnadentod durch das Schwert angeboten, aber der Junge hatte dies ob der Schwere seiner Schuld strikt abgelehnt und auf der Einäscherung bei lebendigem Leib bestanden. Wie man hörte, war Binsfeld tief beeindruckt. Gegen Anna Meisenbein wurde in Köln ein Antrag auf Auslieferung wegen Giftmischerei gestellt, dem stattgegeben wurde. Am 5. Oktober wurde sie unter schwerer Bewachung ins Gefängnis von Sankt Maximin eingeliefert.
    Unter der Folter gab sie zu, mithilfe des Dämonen Federhanß ihren Ehemann durch Zauberei vergiftet zu haben, da sie durch seine Misshandlungen eine Fehlgeburt erlitten habe und seiner Gewalttätigkeit überdrüssig gewesen sei. Auch gestand sie, ihre vier Kinder zu den Sabbaten mitgenommen und in die Zauberei eingeführt zu haben, ebenso die Unzucht mit ihrem Ältesten. Außerdem benannte sie dreiundneunzig Kumpane und Gesellinnen auf den Hexentänzen. Nur zwei Wochen nach ihrer Überstellung aus Köln wurde sie am 20. Oktober lebendig den Flammen übergeben. Der noch immer in Gewahrsam gehaltene Sohn Hans Jakob besagte indessen auch Annas Bruder, seinen Onkel Theis, der kurz darauf auf den Richtplatz geführt wurde. Selbst der schon verstorbene Hans Meisenbein kam ins Gerede. Als Wiedergänger und ruhelose Seele soll er in Feuer gehüllt auf den Hexenplätzen erschienen sein. Allein aus Ruwer, der Heimatgemeinde der Meisenbeins, wurden von den ungefähr hundertsechzig Einwohnern in nicht einmal fünf Jahren über vierzig hingerichtet. Kaum eine Familie blieb verschont, manche wurde vollständig ausgelöscht. Die horrenden Prozesskosten, die von den ohnehin meist schon verarmten Angehörigen eingefordert wurden, trieben diese unentrinnbar in den sicheren Ruin.

    Es war schon spät in der Nacht. Durch das halb geöffnete Fenster in der Schlafkammer wehte ein Lufthauch. Auf dem großen runden Tisch blakte eine Öllampe und verstreute trübes Licht. Cornelius Loos, den Kopf in beide Hände gestützt, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Genau unterhalb des Fensters bedrängte ein rolliger Kater eine Katze, was sich

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