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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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nach dem anderen schreiben sie über die Hexen und jeder versucht, den anderen mit noch wüsteren Gedankengängen und noch spitzfindigeren Theorien zu übertrumpfen. Nehmt nur Binsfeld, unsere hochlöbliche Exzellenz, diesen Wirrkopf! Wisst Ihr, wieso er mit seinem Buch noch nicht fertig ist? Nein? Ich sage es Euch: Weil er den Ausgang des Flade-Prozesses abwarten wollte! Wegen der Kinder!«
    »Ich habe davon gehört!«, erwiderte Linden leise.
    »Er ist der Auffassung, der ›Hexenhammer‹ ginge nicht weit genug, besonders was die Aussagen von Kindern anbelangt, und er ist regelrecht besessen davon. Ihr könnt abwarten, bis Kinder anfangen sich gegenseitig zu bezichtigen! Das gibt noch was…«
    »Die Jesuiten sind daran auch nicht ganz unschuldig«, unterbrach ihn der Stiftsherr, »und Binsfeld geht ja bei ihnen ein und aus. Immer neue Geschichten kommen in Umlauf, besonders Macherentius und Ellentz fordern ein schärferes Vorgehen, obwohl sie deswegen schon wiederholt von der Ordensleitung gerügt und aufgefordert wurden, sich aus den Hexengeschichten herauszuhalten. Der Ellentz ist mir heute früh über den Weg gelaufen und der Stolz, mit dem er von der Begleitung seines Beichtkindes Flade zu dessen Hinrichtung berichtet hat, lässt sicher nicht auf künftige Mäßigung hoffen.
    Überhaupt – für ihn scheint der letzte Gang mit den Verurteilten geradezu ein Steckenpferd zu sein!«
    »Auf Binsfelds Buch bin ich gespannt!«, setzte er nach einer Weile hinzu.
    »Ich habe schon einen Teil gelesen.«
    »Und?«
    »Akademischer Schwachsinn! Das aber auf hohem Niveau!«, entgegnete Loos spöttisch. »Er wollte von mir eine Widerlegung von Weyers Schriften, doch da kann er lange warten. Der Weyer hat mir die Augen geöffnet, aber wenn ich dem Binsfeld das sage, habe ich ein Problem, und zwar kein kleines!« Loos seufzte und seine Augen wanderten über das stille Land. »Welch Aufwand wird betrieben, welch geistige Kraft wird verschleudert, welch kühne Gedankengebäude werden errichtet, wie viele Seelen verdunkelt und Leben ausgelöscht, nur um einen Irrtum zu beweisen, wo doch die Wahrheit so einfach und nahe liegend ist!«
    »Die Wahrheit! Was ist hier die Wahrheit?«
    »Nichts anderes als gottlose Leichtgläubigkeit bringt diesen Wahnsinn hervor. Es ist eine scheußliche, schauerliche, ungeheuere Maschinerie von Zauberern und Hexen, die durch Denunziation und Folter in Gang gehalten und mit unsinnigem Geschwätz geölt wird. Schriftsteller und Juristen tun alles, um diese Maschine zu verteidigen, zu verstärken und noch größer zu machen! Die einen beschreiben bücherweise inhaltsleere Geständnisse und die anderen die vielfältigen Strafen und Folterungen! Lasst die unter Folter abgepressten Geständnisse weg, und Ihr seid der Wahrheit ganz nahe! Auch ein Binsfeld muss allerhand Verrenkungen machen und beweist seine gnadenlose Dummheit damit, indem er Gott vorschiebt und behauptet, der Herr würde es nicht zulassen, dass Unschuldige verurteilt und hingerichtet werden. Fordert von ihm den Beweis, dass selbst Christus nicht unschuldig am Kreuz gestorben sei – und er wird ihn Euch mit seiner Argumentation erbringen!«, schnaubte Loos verächtlich, erhob sich und nestelte in seiner Tasche. Mit einem Taschenmesser trat er an den hinter der Bank stehenden jungen Baum, schabte die grobe schuppige Rinde vom Stamm und fing an, etwas einzuritzen.
    Linden war neugierig dazugetreten.
    »18.9.1589« stand da, dahinter ein Kreuz und »D. F.«.
    »Dietrich Flades Hinrichtungstag. So wie der Baum wachsen wird, so wächst die Schrift. So wie aber die Schrift wächst, wachsen die Hinrichtungen. Verlasst Euch darauf! Mit Flades Verbrennung haben sie den Rubikon überschritten, es gibt kein Zurück mehr und sie werden nicht eher Ruhe geben, bis sich auch die anderen in Asche und Rauch aufgelöst haben!«, prophezeite Loos. »Und diesen werden noch viele folgen. Was wir bis jetzt erlebt haben, war nur der Anfang!«, setzte er düster nach.
    Linden schauderte und sein Blick wanderte erneut zur anderen Flussseite, wo der Wind den Rauch der Richtstätten spielerisch zu Fetzen verwirbelte und sie vor sich hertrieb, bis sie sich in luftiges Nichts auflösten.
    »Es ist ein gutes Geschäft und leicht verdientes Geld«, hörte er Loos wie von weitem, »sie sind jetzt schon wie hungrige Wölfe dabei, an Kestens Vermögen zu kommen. Killburg, Zandt von Merl und Musiel, die als Kuratoren für seinen Sohn eingesetzt sind, haben den Buben

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