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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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vergiftet zu haben! Nun ist der Hexenausschuss dabei, weitere Beweise gegen sie zu sammeln!«
    »Ich habe es geahnt! Sie hätte sofort verschwinden sollen!
    Nun werden sie ihr die Flucht als Schuldeingeständnis auslegen!«, rief Loos ungehalten.
    »Es ist furchtbar! Ihr eigener Sohn…«
    Ein krampfartiges Weinen schüttelte ihren dünnen Körper.
    In den schrecklichen Tragödien, die sich um ihn herum abspielten, war es Loos inzwischen kaum mehr möglich, einen Überblick über einzelne Schicksale zu behalten. Die Meisenbeins gehörten zur Oberschicht in ihrem Dorf. Anna hatte eine nicht gerade unbedeutende Mitgift in die Ehe eingebracht und ihr Mann Hans war der Pächter der Ruwer-Maximiner Zollstation gewesen. Die Zöllner standen nicht im allerbesten Ruf und auch Hans Meisenbein hatte seinen Reichtum mit nicht immer ganz legalen Mitteln gemehrt, was zu einigen gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt hatte.
    Im Zuge der Nachforschungen im Fall Flade war Annas damals achtjähriger Sohn Hans Jakob verhört worden und hatte ohne Umschweife eingestanden, von Satan zur Hexerei verführt worden zu sein, worauf er unverzüglich in einem der Maximiner Gefängnistürme in Gewahrsam genommen wurde.
    Immer wieder stellte man ihm Verdächtige gegenüber, die er meist als Teilnehmer an Sabbaten erkannte. Nur gelegentlich bedurfte es einer Androhung der Rute oder vereinzelter Schläge mit einem Lederriemen, um ihm die Wahrheit zu entlocken. Als er seinen älteren Bruder Hans Cuno als Mitverschworenen entlarvte, war das nicht nur für den Amtmann Piesport und die Schöffen, sondern auch für Binsfeld wie eine Offenbarung. Hans Cuno wiederum belastete in seinem ebenfalls freiwillig abgelegten Geständnis seinen Bruder und ging noch viel weiter. Seine Schwestern Maria und Margreth seien ebenfalls Hexen, die Mutter sei jedoch die allerschlimmste von allen. Bis hierher war Loos mit den Umständen vertraut, was aber nun kam, verschlug selbst ihm, der zu Spott und Hohn neigte, die Sprache.
    »Er hat behauptet, seine eigene Mutter habe ihn bereits als Neunjährigen zum Beischlaf verführt!«
    Die Stimme der kleinen Frau war zu einem Wispern
    abgesunken und Loos musste sich vorbeugen, um sie verstehen zu können. »Geht… das… überhaupt? In dem Alter?«
    Loos schüttelte in wütender Betroffenheit den Kopf.
    »Aber das ist noch nicht alles!«, fuhr die Witwe mit geweiteten Augen und bebenden Lippen fort. »Er gibt an, sie habe ihm die Hexerei beigebracht, ihn auf einen Tanzplatz mitgenommen und dort an eine Teufelin verheiratet! Könnt Ihr Euch vorstellen, was das für eine Mutter bedeutet… vom eigenen Kind…«
    Cornelius Loos spürte eine unbändige, eisig kalte Wut in sich hochsteigen. Wortlos stürmte er auf die Haustür zu, riss sie so heftig auf, dass sie krachend an die Wand schlug, und rannte mit geballten Fäusten hinaus auf die Gasse. Trotz des kühlen Abends lief ihm der Schweiß über die Stirn, wort- und grußlos hastete er an den Menschen vorbei. Waren denn jetzt alle verrückt geworden, die Piesports, von Merls, Biewers, Ellentzens, Binsfelds und wie sie alle hießen? Außer Atem blieb er vor der Pforte des Simeonsstiftes stehen, wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, zögerte einen Augenblick –
    und machte dann kehrt.
    Nein, das würde Binsfeld so passen. Loos war beinahe auf sich selbst wütend, da er kurz davor gewesen war, diesem Wirrkopf eine Blöße zu bieten. Was wusste er denn? Gar nichts. Außer dass ein Neunjähriger kaum in der Lage sein dürfte, einer Frau beizuschlafen! Linden, Macherentius oder Ellentz? Nein, nicht zu den beiden Jesuiten, er würde Mühe haben, sich zu beherrschen. Er brauchte jemanden, mit dem er offen reden konnte. Wenige Augenblicke später stand er in der Studierstube des Stiftsherrn.
    »… fünfundsechzig Komplizen hat er benannt, sein Geständnis eigenhändig niedergeschrieben. Am heftigsten hat er seine Mutter besagt. Inzest mit einem neunjährigen Kind?
    Ich weiß, das ist lächerlich. Aber er hat es so glaubwürdig vorgetragen, dass Piesport und alle Schöffen ohne Ausnahme davon überzeugt sind.« Linden hielt inne. Über seine Wangen lief ein Zucken, seine Finger verkrampften sich ineinander, bis die Knöchel weiß hervortraten, und er musste mehrmals ansetzen, ehe er weitersprechen konnte. »Händeringend hat er das Gericht gebeten, nein, nicht gebeten, regelrecht angefleht –
    sagt jedenfalls Piesport –, seiner Mutter habhaft zu werden und sie einem

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