Die Lichtfaenger
achtete darauf, direkt hinter ihm zu bleiben. Sie retteten sich schwer atmend auf ein paar Stufen in einem Hauseingang. Mit einem Mal schwoll das Geschrei zu einem infernalischen Lärm an, Pfiffe gellten durch hassvoll ausgestoßene Verwünschungen, geballte Fäuste reckten sich in die Höhe, Pferdeäpfel flogen nach vorn und der aufgebrachte Pöbel begann zu skandieren: »Verbrennt den Flade! Verbrennt den Flade!«
»Schaut Euch das an!«, sagte Linden fassungslos.
Von ihrem erhöhten Platz aus hatten sie einen guten Überblick. Vier Büttel trugen den ehemaligen Schultheißen und reichsten Mann Triers in einem Sessel wie eine Trophäe durch die spottende und geifernde Menge, die nur mühsam durch knüppelnde Magistratsbedienstete zurückgehalten werden konnte.
»Er hat ein Bruchleiden und kann nicht gehen! Sie hätten ihn wenigstens nachts verhaften können, um ihm diese Schande zu ersparen!«
Loos schüttelte den Kopf und sah seinen Mitbruder an.
Johannes Linden war einer der wenigen Menschen in der Stadt, mit dem ihn so etwas wie eine Seelenverwandtschaft verband.
Auch Linden war eher ein Einzelgänger, der lieber mit sich, seinen Gedanken und der Stille allein war.
»Nein!«, sagte er dann entschieden. »Das gehört mit zum Schauspiel! Das Maximiner Gericht mit seinen
Hexenausschüssen bringt jede Menge in die
Verbrennungshütten, während Trier hinterherhinkt! Sie brauchen dieses widerwärtige Theater, um zu zeigen, dass auch hier hart durchgegriffen wird, und damit die Leute mit eigenen Augen sehen, dass sie selbst vor den Reichen und Vornehmen nicht zurückschrecken!«
»Sie machen nun nicht einmal mehr vor Priestern Halt!
Pfarrer Lambrecht von Schillingen und der Kanoniker Johannes Kyllburg aus dem Simeonsstift haben bereits gestanden, Hexer zu sein, und beide haben den Flade beschuldigt, ihn auf einem Sabbat gesehen zu haben!«
»Kyllburgs Akte liegt bei Binsfeld. Ich komme gerade von ihm.«
Angewidert und dennoch gebannt sahen sie auf die rasenden Menschen.
»Binsfeld«, sagte Loos dann nach einiger Zeit, »was spielt er für eine Rolle? Ich meine nicht nur bei Flade, sondern auch bei Kyllburg. Schließlich ist er Probst des Simeonsstiftes!«
»Hm. Er scheint sich hier allgemein sehr zurückzuhalten. Der Flade hat sich trotz aller Anwürfe viel zu lange sicher gefühlt in der Meinung, der Fürst sei ihm zu Dank verpflichtet und würde seine schützende Hand über ihn halten. Vielleicht kommt Binsfeld die Verhaftung Flades nicht ungelegen, da Johannes von Schönenberg trotz seines Drängens immer noch eher zögerlich und abwartend ist. Ich denke, der Flade ist ein Bauernopfer. Seine Appelle und Unschuldsbeteuerungen haben nichts genutzt, so wenig wie sein Angebot, sich für den Rest des Lebens in ein Kloster zurückzuziehen und sein Vermögen dem Kurfürsten zu überschreiben.« Er deutete mit dem Kopf über den johlenden Pöbel hinweg. »Wenn Ihr mich fragt, ist sein Leben keinen Pfifferling mehr wert.« Linden schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: »Ähnlich dürfte es mit den beiden Priestern sein. Auch da scheint Binsfeld keinen Finger zu rühren, obwohl er als Probst Kyllburgs direkter Vorgesetzter ist und beinahe täglich mit ihm zu tun hatte. Ein Wort von ihm…« Linden ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.
Der Prozess gegen Dietrich Flade kam nur schleppend voran.
Erst verzögerten ihn marodierende Soldaten, dann drängten zwei Prozesse gegen Frauen, die schon seit längerem im Kerker lagen und dem ohnehin leeren Stadtsäckel zur Last fielen, und zu alledem füllte eine Pestilenz wieder einmal die gekalkten Leichengruben. Hans Kesten, bis vor kurzem in Untersuchungen gegen Flade eingebunden und weitum als raffgieriger, beinharter Geizhals verrufen, entdeckte plötzlich die Mildtätigkeit: Nur wenige Tage nach der Verhaftung Flades spendete er der Stadt zweitausendfünfhundert Goldgulden für die Einrichtung einer Armenhausstiftung. Eine Woche später übergab Bürgermeister Willhelm Killburg Rektor John Gibbons und Pater Lukas Ellentz in Kestens Namen zweihundert Taler zusammen mit einer Urkunde, die dem Kloster eine jährliche Weinernte zusicherte. Die Schöffen des Hochgerichts erhielten Kreditbriefe in Höhe von einhundertfünfundsiebzig Gulden und das Jesuitenkolleg wurde in seinem Testament mit mehreren Legaten bedacht.
Johannes von Schönenberg beglaubigte Kestens letzten Willen, als dessen Vollstrecker Kesten den Statthalter Zandt von Merl, Bürgermeister
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