Die Lichtfaenger
wie das Weinen eines verlassenen kleinen Kindes anhörte.
Zweimal hatte Loos schon versucht, ihn zu verscheuchen, aber kaum hatte er wieder Platz genommen, fing das Vieh wieder an. Unwillig erhob er sich, ging in seine Schlafkammer, öffnete leise das Fenster ganz und leerte den Inhalt seines Nachttopfes nach unten. Mit einem lauten, erschrockenen Fauchen schoss der Kater in die Dunkelheit. Zufrieden setzte Loos sich wieder und griff nach seinem Gänsekiel.
Er war sich der Gefährlichkeit seines Tuns durchaus bewusst.
Schon des Öfteren hatte er sich an der Universität dazu hinreißen lassen, über Binsfelds Buch spöttische Bemerkungen abzulassen, die diesem durch seine Nähe zu den Jesuiten, insbesondere zu John Gibbons, bestimmt schon zu Ohren gekommen waren. Ihr Verhältnis war nun nicht mehr nur gespannt – es war regelrecht feindselig und ihr Umgang beschränkte sich auf das Allernotwendigste. Das Fass zum Überlaufen hatte der Nachweis von Loos gebracht, dass Binsfeld in seinem Buch den heiligen Cyprian mit Cyprian von Antiochien verwechselt hatte. Es ging um einen Teufelspakt, mit dessen Hilfe der Zweitere ein Mädchen gewinnen wollte und der mit Blut unterschrieben worden sein soll. Loos meinte, das würden vielleicht zwei Liebende machen, aber bestimmt nicht ein Verliebter und ein Dämon. Das sei dummes Geschwätz. In der Tat lag in keiner Lebensbeschreibung des Ersteren auch nur die Spur eines Hinweises auf Magie vor, wie es Binsfeld ausgeführt hatte, und Loos hatte dafür gesorgt, dass sich dieser offensichtliche Irrtum in Windeseile herumsprach.
Nun hatte Binsfeld sein Traktat überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Tatsächlich hatte er dabei die gesamte Stelle über Cyprian neu geschrieben, wobei er sich eines Kommentars über seinen Kritiker – dessen Namen er allerdings nicht nannte – nicht enthalten hatte können. Loos meinte Binsfelds gekränktes Zähneknirschen zu hören und konnte ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken, als er las:
»Als mein Kritiker dies gemerkt hatte, hat er es tadelnd herausgestellt und auch anderen, einfältigeren Leuten mitgeteilt, als ob es sich um eine ungeheuerliche Ignoranz meinerseits handle, und das alles, um meine Autorität zu untergraben!«
Besonders breiten Raum hatte der Weihbischof, wie nicht anders erwartet, dem Fall der Familie Meisenbein gewidmet und der Ton, in dem er davon berichtete, troff geradezu vor eitler, geschwätziger Selbstgefälligkeit.
»Aber, Gott hat es so eingerichtet«, stand da, »Verbrechen kommen immer ans Tageslicht! Sie hatte nämlich ihre zwei Söhne und zwei Töchter verführt! Der eine Sohn und die eine Tochter hatten vor der Verhaftung ihrer Mutter unter der trauernden Anteilnahme von vielen ihr Leben… «
In Loos stieg wieder dieses Gemisch aus spöttischem Zorn und höhnischer Verachtung hoch. Von wegen Anteilnahme!
Unter Strafandrohung wurden sie zu den Hinrichtungen befohlen: Angehörige, Nachbarn, Männer, Frauen und selbst Kinder – eine Maßnahme zur Abschreckung! Es wurden nochmals ausführlich die zur Last gelegten Untaten und die Urteile verlesen, sogar neue Besagungen wurden vorgetragen.
Misstrauisch beäugten sich die Menschen unter gesenkten Lidern und versuchten möglichst Abstand zu halten von denen, die auch nur ansatzweise im Gerücht standen. Gelegentlich kam es zwar vor, dass eine Bezichtigung zurückgenommen wurde, aber das war die Ausnahme. Nein, insgeheim atmeten viele erleichtert auf, wenn die Flammen die Delinquenten mit lautem Prasseln verschlangen.
»… der andere Sohn und die andere Tochter, die noch Kinder waren, sind noch in Gewahrsam und werden unterrichtet. Möge Gott ihnen eine gute Gesinnung und eine dauernde Bekehrung schenken!«
Loos griff zum Lineal, unterstrich ein paar Stellen und machte sich auf einem gesonderten Blatt Notizen.
Die kleine Margreth war zwar vom Gericht als Hexenkind befunden worden, aber da sie für einen Prozess noch zu jung war, hatte man sie in geistliche Obhut gegeben. Nicht einmal als Zeugin taugte sie, da aus ihr nichts Vernünftiges herauszubekommen war. Darüber hinaus waren die
Gefängnisse sowieso schon überfüllt und in Maximin war man froh um jeden Platz. Ihr Bruder Hans Jakob hingegen sprudelte wie eine Quelle im Frühling. Weit über hundert Leute wollte er bis jetzt auf den Sabbaten erkannt haben, darunter die beiden ehemaligen Bürgermeister Behr und Fiedler. Ersterer hatte sich daraufhin aus seinem Turmgefängnis in den Tod
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