Die Lichtfaenger
nicht unzufrieden, wenn er an die Gefangenen drüben in den verwanzten und verlausten Gefängnistürmen dachte. Im Frühjahr 1592 hatten sie ihn eines Nachts aus dem warmen Bett gezerrt und wie einen Verbrecher in Binsfelds Arbeitszimmer geführt. So hatte er den Weihbischof, sonst immer um überlegene Beherrschtheit bemüht, noch nie erlebt.
Kaum dass er den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, war Binsfeld aus seinem Sessel hochgeschossen und hatte zu schreien begonnen. Bodeghemius stand wie eine Statue daneben, das Gesicht bewegungslos und die Augen starr geradeaus gerichtet.
»Was habt Ihr Euch gedacht, Loos? Habt Ihr wirklich geglaubt, wir wären so dumm und würden Euch nicht auf die Schliche kommen? Hier – frisch aus Köln!«
Triumphierend hielt Binsfeld einen Packen bedruckten Papiers in die Höhe.
»›De vera et ficta magia‹ – Von der wahren und
eingebildeten Magie!«, höhnte er. »Verfasst von einem Angsthasen, der sich nicht getraut, seinen Namen zu nennen, und sich hinter einem Pseudonym versteckt!«
Loos stand hoch aufgerichtet und mit versteinerter Miene vor ihm. Wer hatte ihn verraten? Nein, es war sicher keine allzu große Kunst gewesen, ihn als Urheber ausfindig zu machen.
Oft genug hatte er sich über Binsfelds Werk lustig gemacht und seine Ablehnung nicht verborgen.
»Der päpstliche Nuntius in Köln, Ottavio Mirto Frangipani, hat sich höchstpersönlich um die Angelegenheit gekümmert und die sofortige Beschlagnahmung aller Druckbogen und Vorlagen in der Kölner Druckerei angeordnet, ebenso Eure sofortige Verhaftung und Inhaftierung!«
Loos war immer noch durcheinander und die Stimme schien von weither zu kommen.
»Cornelius Loosius Callidus, der sich neuerdings Finius Callidus zu nennen beliebt, glaubt entgegen der allgemein anerkannten und bewiesenen Tatsache des Hexenwesens kundtun zu müssen, Hexenflug sei reine Phantasie, die Angeklagten würden gezwungen, Dinge zu gestehen, die sie nie getan hätten, und versteigt sich dazu noch zu der Aussage, es handle sich um eine neue Art der Alchimie, mit der Menschenblut in Gold und Silber verwandelt würde!«
Hoffnungslosigkeit beschlich Loos, so sehr er auch dagegen aufbegehrte. Sollte das alles gewesen sein? Seine Bittschriften, Eingaben und Briefe an Magistrat, Richter und Fürsten –
umsonst? Seine monatelange Arbeit in vielen einsamen Nächten – sinnlos?
»Euer Kampf gegen die Häresien der Irrlehrer – ist das vielleicht ebenfalls nur ein Vorwand? Bei den Lutheranern und Calvinisten kennt Ihr keine Gnade. Die schlimmsten aller Ketzer aber, die Hexen, die sich mit dem Teufel selbst verbündet haben, die nehmt Ihr in Schutz!«
»Ich beziehe mich ausdrücklich nur auf die Bibel und die frühen Kirchenväter wie Augustinus…«
»Auf dessen Gnadenlehre bezieht sich auch Luther
ausdrücklich!«, unterbrach ihn Binsfeld erregt.
»Wieso soll ich denn Angst vor dem Teufel und seinen Hexen haben? Wer ist mächtiger – Gott oder Satan? Wenn man Eurem Buch über die ›Bekenntnisse der Zauberer und Hexen‹ folgt, hat der Herrgott überhaupt nichts mehr zu sagen.
Er ist ein hilfloser, schwacher und machtloser Gott, dem ein gefallener Engel mit seinem Gefolge auf der Nase herumtanzt.
Ein Gott, der zwar die Erde, das Universum, Menschen und Tiere aus dem Nichts erschaffen kann, aber nun unfähig zusehen soll, wie…«
»Das ist Blasphemie, das ist Gotteslästerung!«, mischte sich Bodeghemius scharf ein.
»Ja, das finde ich gleichfalls. Aber genau so denken die Hexenjäger!«, erwiderte Loos, nun etwas gefasster, mit spöttisch nach unten gezogenen Mundwinkeln.
»Euer Hochmut wird Euch schon noch vergehen! Verlasst Euch darauf!« Binsfeld trat ganz nahe an ihn heran, die Hände auf dem Rücken verschränkt, auf seiner Stirn glitzerten selbst im schwachen Kerzenlicht erkennbare Schweißtropfen und in den Augen stand die entschlossene Bereitschaft, Loos zu vernichten. Seine Stimme senkte sich zu einem kaum hörbaren Flüstern ab. »Ich lasse mich nicht von Euch zum Gespött machen. Nein, das macht Ihr nicht mit Petrus Binsfeldius!
Aber da Ihr Euch schon erdreistet habt, mein Ansehen in den Schmutz zu ziehen, und da immer etwas hängen bleibt, werden wir Euch widerlegen – und zwar Satz für Satz, Zeile für Zeile, Wort für Wort!«
»Das ist ganz in meinem Sinn! Nur wird Euch das kaum gelingen! Aber wenn Ihr bereit seid, Euch mit meiner Schrift kritisch auseinander zu setzen, ist das ein gewaltiger Schritt nach vorn!
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