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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Doch wie wollt Ihr etwa Eure Behauptung beweisen, dass Satan nicht die Form eines Schafes annehmen könne, da Jesus der Gute Hirte seine Herde als Schafe bezeichne, oder sich nicht in eine Taube verwandeln könne, da diese das Sinnbild des Heiligen Geistes ist? Wie wollt Ihr beweisen, dass der Böse Geist hässlich und wild und schwarz sei und dem heiligen Makarius in Form eines
    kohlrabenschwarzen Negers erschienen sei?« Loos dachte nicht mehr an die Gefahr, in der er schwebte, sondern gab aus dem Gedächtnis seine Erwiderungen auf die entsprechenden Stellen in Binsfelds Buch wider. »Keine Schafe also, Donnerwetter! Sollten die Dämonen plötzlich Gewissensbisse bekommen haben? Keine Taube? Wahrhaft fromm ist doch der Dämon! Aber dass er Menschengestalt annimmt, also die Form, in der Christus uns erlöst hat, daran stößt sich niemand!
    O lächerliches Geschwätz des Aberglaubens, o Träume der Illusion, o Phantasmen der Nacht! Welcher Äthiopier, der vor Schwärze nur so glänzt, wird dies unwidersprochen hinnehmen?«
    »Schweigt!«, brüllte nun Binsfeld tief getroffen und seine Augen drohten aus den Höhlen zu quellen. »Ich muss mich nicht hinter einem Pseudonym verstecken, ich kann meinen Namen offen nennen! Bringt ihn nach Sankt Maximin, sie sollen ihn dort einsperren, bis er wieder zu Verstand kommt!
    Abt Biewer weiß Bescheid!«
    Loos zuckte leicht zusammen, obwohl er nichts anderes erwartet hatte, hielt aber Binsfelds Blick stand, was diesen nur noch wütender machte.
    »Schafft ihn weg!«, schrie der Weihbischof die beiden Bediensteten an, die in diensteifriger Unterwürfigkeit sofort nach Loos fassen wollten, der sie jedoch unwillig abschüttelte wie lästige Fliegen.

    Der 24. Oktober 1592 war in Sankt Maximin fast ein Tag wie jeder andere. Ein wenig Aufregung entstand, als sie den jüngsten der Meisenbein-Buben, den Hans Jakob, auf den Richtplatz führten. Vier Jahre hatten sie ihn in Haft gehalten, in denen er an die hundertfünfzig Menschen als Komplizen bezichtigt hatte. Nicht wenige hätten ihn gern schon früher hingerichtet gesehen, aber dem war bislang sein Alter entgegengestanden.
    Von seiner Zelle aus sah Loos zu, wie sie den mageren Jungen mit auf den Rücken gefesselten Händen aus dem Turm holten. Unter dem Tor blieb Hans Jakob für einen Augenblick stehen und blinzelte in das ungewohnte Licht, das für ihn in etwa einer Stunde erlöschen würde. Loos sah, wie sich der schmächtige Brustkorb unter der dreckigen und durchlöcherten Kutte hob. Wie ein Ertrinkender schien der junge Meisenbein nach Luft zu ringen, die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und Verdeckten seine Augen, während ihn einer der Büttel roh vorwärts schubste. In Cornelius Loos stieg eine solch unbändige Wut auf, dass er glaubte, daran ersticken zu müssen.
    Von unten trug der Wind Hans Jakobs leises Wimmern an sein Fenster, Loos hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und ließ sich auf die Knie fallen.
    »O christlicher Glaube, wie lange wird dich noch der verderbliche Aberglaube quälen? O christliche Gemeinschaft, wie lange noch wird das Leben der Unschuldigen in dir gefährdet sein?«
    Er schrie seine Wut in den engen Raum, aber die kahlen Wände gaben keine Antwort.

    Zwei Wochen später, an einem dämmerigen Mittwoch, drehte sich wieder einmal schwer der Schlüssel im Schloss. Die Zellentür wurde aufgestoßen und Binsfelds ausladende Gestalt schob sich in den Türrahmen. Loos spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Was wollte er? Heute Vormittag war bereits Bodeghemius bei ihm aufgetaucht und hatte beinahe beschwörend auf ihn eingeredet, die Thesen in seinem Buch zu widerrufen. In düsteren Farben hatte er ihm ausgemalt, welche Folgen ein weiteres Beharren für ihn haben würde, und unausgesprochen war es im Raum gehangen, dass es nicht nur um die Auseinandersetzung zwischen zwei verschiedenen Ansichten ging, sondern vor allem um einen Weihbischof, der seine Autorität untergraben und seine persönliche Ehre auf das Tiefste verletzt sah.
    Etwas Unverständliches murmelnd machte Binsfeld steif die zwei, drei Schritte in den engen Raum und ließ sich besitzergreifend auf dem einzigen Stuhl nieder, von dem sich Loos gerade höflichkeitshalber erhoben hatte. Es war eine Geste der Demütigung, beabsichtigt und berechnend, eine Machtdemonstration. Für einen kurzen Augenblick fühlte sich Loos tatsächlich eingeschüchtert, gab sich dann aber einen Ruck und setzte das spöttische Lächeln auf, das Binsfeld so

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