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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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offen und traf Stappert völlig unerwartet. Dieser zuckte kurz zusammen, hielt ihm jedoch stand.
    Rham öffnete noch einmal den Mund. Offensichtlich kostete es ihn beinahe übermenschliche Anstrengung.
    »Amen!«
    Es war nurmehr ein Hauchen. Dann lief ein kurzes Zittern über den zerschlagenen Leib und der Kopf fiel kraftlos zur Seite.
    Mit den Schöffen erwachte auch der Kommissar aus seiner Starre.
    »Schüttet Wasser über ihn!«, schrie er aufgeregt den Henker und den Büttel an, die fassungslos dastanden.
    »Lasst es bleiben. Er ist tot!«, warf der Minorit ruhig ein.
    »Das war der Teufel!«, schrie Höxer wie von Sinnen. »Er hat ihm dazu verholfen! Er war es, der ihn so lange in der Marter standhaft gehalten hat!«
    Jetzt war es an Pater Fredericus, die Fassung zu verlieren.
    »Verehrter Herr Doktor, ich habe schon viele Gefolterte gesehen, aber – und da sei Gott mein Zeuge –, aber noch keinen, der so furchtbar zugerichtet war wie dieser. Wie wäre es, wenn ihn Gott aus den Fängen seiner Peiniger erlöst hätte?
    In seiner höchsten Not hat er immerhin Gott um Hilfe angerufen und nicht Satan!«
    Doch der Kommissar ließ sich nicht beirren. Er berief sich auf den Richter Schultheiß, an dessen Gelehrtheit und Frömmigkeit bestimmt niemand zweifeln wolle und der beweisen könne, dass Gott den Tod Unschuldiger nicht zulasse.
    »Das behaupteten auch schon Binsfeld und Del Rio. Nur den endgültigen Beweis sind sie beide schuldig geblieben, ebenso wie Euer Doktor Schultheiß!«, fauchte der Minorit.
    Stappert bohrte sich die Fingernägel in die Handflächen, um sicher zu sein, dass er das alles nicht träumte. Da standen eine Reihe erwachsener Männer um einen Menschen herum, der in vollem Bewusstsein Gott um Beistand angefleht hatte, und dieser Tyrann von einem Hexenrichter versuchte ihnen weiszumachen, der Teufel habe ihn dazu gebracht!
    Der Pastor zwang seinen Blick auf den zerschundenen Leichnam, der einmal die Seele von Bernhard Rham
    beherbergt hatte, und er meinte, dessen soeben aus seinem Gefängnis entwichenen Geist noch hier im Raum zu spüren.
    Würgend stieg es in ihm hoch. Wortlos, mit bleichem Gesicht verließ Stappert das Marterzimmer, stürzte wie von Furien gejagt über den Gang, riss das Tor ins Freie auf und übergab sich mitten auf die Straße. Schwer atmend lehnte er sich dann an die Hauswand und wartete auf den Minoriten. Keine zehn Pferde hätten ihn zurück in das Gebäude bekommen.

    Ein paar Tage später ging es wie ein Lauffeuer durch Hirschberg. Der Hexenkommissar hatte sechs Frauen festsetzen lassen. Aber die Weiber schienen ziemlich verstockt zu sein und Höxer machte kein langes Federlesen, sondern ließ sie alle bis auf Ida Teipels peinlich befragen. Und siehe da, die fünf Gefolterten beschuldigten genau diese als Zauberin.
    Damit konfrontiert, bat die Teipels, Gott möge ihnen verzeihen. Doch fünf Aussagen standen gegen eine.
    Offensichtlich wollte Ida Teipels mit ihrer geheuchelten Frömmigkeit den Richter und die Schöffen hinters Licht führen. Für Höxer war es eine Kleinigkeit, den wahren Sachverhalt aufzudecken, und schon am nächsten Vormittag hatte er das Geständnis aus ihr herausgequetscht.
    Der kühle Abendwind fuhr durch Stapperts Soutane, blähte sie auf und ließ ihn größer erscheinen, als er war. Doch es war niemand da, der es hätte bemerken können. Hirschberg schien nur noch aus Häusern zu bestehen. Keine Menschenseele war auf der Straße, der Ort wirkte verlassen, verwunschen wie aus einer der Schauergeschichten, die man den Kindern am abendlichen Herdfeuer erzählte. Einsam klackte sein Schritt auf dem Kopfsteinpflaster, kam hallend von den Wänden zurück. Niemand hielt sich in diesen Tagen unnötig lange im Freien auf. Man könnte ja mit jemandem gesehen werden, der womöglich im Gerücht stand, oder in ein Gespräch verwickelt werden und dabei seine Worte nicht sorgfältig genug wählen.
    Da war es schon besser und gesünder, zu Hause zu bleiben.
    Auch Stappert, den eigenen Pfarrer, mieden sie, drückten sich verlegen an ihm vorbei, wenn sich eine Begegnung nicht vermeiden ließ, und ins Pfarrhaus kamen sie nur noch, wenn jemand im Sterben lag oder eine Geburt zu vermelden war.
    Die Teipels hatten sie in eine abgesonderte Kammer gesperrt, wohl um ihr die Möglichkeit zu nehmen, sich mit ihren Besagerinnen abzusprechen. Vor dem Eintreten wies Stappert den wachhabenden Büttel an, nicht vor der Tür, sondern am Ende des Ganges zu warten.
    Ida Teipels

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