Die Lichtfaenger
lag auf einer hölzernen Pritsche, hob kaum den Kopf, das Einzige, was sie von sich gab, war ein leises Aufseufzen. Dann schwieg sie wieder. Sie schwieg auch, als Stappert sie ermahnte, Buße zu tun und vor allem bei der Wahrheit zu bleiben. Mit zusammengepressten Lippen und ihm zugewandtem Rücken starrte sie an die Wand. Je mehr er auf sie einsprach, desto mehr zogen sich ihre Schultern zusammen und ihre starre Haltung ließ ihn ihre ganze Ablehnung spüren.
»Ich habe gehört, du hast nicht nur dich selbst, sondern ebenso die anderen fünf Frauen der Hexerei beschuldigt? Du weißt, das ist eine schwere Anschuldigung und es gibt mir deswegen zu denken, weil du, als die anderen fünf dich beschuldigten, gebeten hast, dass Gott ihnen verzeihen möge.
Oder stimmt das nicht?«
Ganz langsam und mit einem gequälten Aufstöhnen wandte Ida Teipels ihm nun ihr Gesicht zu. Ihre Lider waren rot, unter den Augen lagen dunkle Schatten und auf ihren knochigen, schmutzigen Wangen hatten vertrocknete Tränen helle Streifen hinterlassen.
»Herr Pastor, wenn ich wüsste, dass ich Euch vertrauen kann… wenn ich nur einen Menschen hätte, dem ich alles sagen kann…« Ein heftiges Schluchzen schüttelte ihren Körper und würgte ihre Stimme. »Wenn… ich… Euch… nur…«
Ihr Atem ging stoßweise und erst jetzt sah Stappert, wie sie die Frau zugerichtet hatten. Grenzenloses Mitleid überkam ihn, gemischt mit Verachtung für sich selbst. Die anderen Gefolterten, deren Beichtvater er in der Vergangenheit gewesen war, hatten keinen Deut besser ausgesehen, aber er hatte keinen Blick dafür übrig gehabt. Er war nur um ihre Seelen besorgt gewesen und hatte mitgeholfen, sie direkt in die Fänge der Kommissare zu treiben.
»Du kannst mir vertrauen!«
Er sah den Zweifel in ihren Augen, aber auch das drängende Verlangen, sich ihm mitzuteilen.
»Du kannst mir wirklich vertrauen!«
Sie zögerte noch immer.
»Ich weiß, du hast Angst davor, dass ich mit dem Richter unter einer Decke stecke und es ihm erzähle!«
Sie nickte.
»Willst du beichten? Du sagst mir die Wahrheit unter dem Siegel der Beichte und mein Mund wird Zeit meines Lebens verschlossen bleiben!«
Ida Teipels schüttelte den Kopf. »Keine Beichte. Euer Wort genügt!«
»Also gut! Ich verspreche, dass der Richter nichts von unserem Gespräch erfährt, solange das Verfahren dauert!«
»Ich bin unschuldig!« Sie schrie es, gerade so, als ob es alle Welt hören solle, alle, die ihr übel nachredeten, sie bezichtigten, an ihre Schuld glaubten oder denen sie einfach nur gleichgültig war. »Selbst wenn ich gestanden habe, ich bin unschuldig! Der Kommissar fragte mich, wie es denn möglich sei, dass ich keine Zauberin sei, wenn das doch die anderen fünf ausgesagt hätten, und als ich es weiter bestritt, zogen mich der Henker und seine Knechte nackt aus und begannen mich auszupeitschen!« Ida Teipels schlug die Augen nieder. »Diese Schande! Splitternackt vor all den Männern!«
Stappert spürte, dass sie diese Erniedrigung mindestens ebenso tief, wenn nicht noch tiefer getroffen hatte wie die Schläge.
»Während sie auf mich eindroschen, dachte ich, hier kommst du nicht heil heraus, ebenso wenig wie die anderen vor dir. Da kannst du gleich sagen, dass du zaubern kannst, und so habe ich angefangen zu lügen und das gesagt, was sie hören wollten!«
»Aber warum hast du denn die anderen fünf beschuldigt?«
»Was hätte ich denn tun sollen?« Ihre Stimme wurde tonlos flach, als sie fortfuhr: »Sie haben mich gezwungen. Der Richter und der Henker schleppten mich zu den Frauen ins Gefängnis, wo ich jede einzelne beschuldigen und sie auffordern musste, ihre Sünden zu bekennen und sich zu bekehren!«
»Die anderen fünf hatten doch noch gar nichts eingestanden und bleiben alle bei der Aussage, was dich betrifft!«
Beiden war bewusst, was das bedeutete. Die Teipels saß in der Falle. Sie hatte gestanden. Zwar konnte sie widerrufen, aber dann würden sie sie so lange peinigen, bis sie erneut ihr Geständnis hätten. Und dann waren da noch die anderen fünf Frauen, die sie unisono bezichtigten, sich selbst aber nicht einmal unter der Folter beschuldigten. Fünf Aussagen gegen eine… Kommissar Höxer würde alles daransetzen, auch die anderen zu überführen, und dazu brauchte er Ida Teipels.
Kalt lief es Stappert über den Rücken bei dem Gedanken, der ihm eben kam. Es war ungeheuerlich, grausam, unmenschlich und doch die einzige Möglichkeit, das Leben weiterer
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