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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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unter Folter erzwungen worden und die von ihr benannten Personen seien allesamt unschuldig. Trotzdem war sie nicht bereit gewesen, die Anschuldigungen vor Gericht zurückzunehmen. Immer wieder hatte sie beteuert, der Doktor habe sie immer so gefragt, dass sie genau gewusst habe, wen er beschuldigt haben wollte, und aus Angst vor erneuter Marter habe sie die gewünschten Leute angegeben. Bis zu ihrem Ende war sie bei ihrer Aussage geblieben, die von ihr Bezichtigten wurden ebenfalls vor Gericht gestellt und verbrannt. Sie alle hatten beim Kirchhof gewohnt. Und auch der Wolrath hatte behauptet, von Schultheiß dazu gebracht worden zu sein, bestimmte Personen um den Kirchhof zu beschuldigen, und als er, Stappert, ihn aufgefordert hatte zu widerrufen, geantwortet: »Das werde ich wohl besser bleiben lassen. Denn sonst werde ich wieder gefoltert.« Auf seine Vorhaltung hin, dass er dann nicht selig werden könne, hatte Wolrath gesagt: »Das will ich die Schelme selbst verantworten lassen, die mich dazu gezwungen haben!«
    Plötzlich sah Stappert den Hexenrichter in einem anderen Licht. Dieses kleine, hagere Männlein mit dem in der Mitte gescheitelten und bis auf Kinnhöhe herabwallenden Haar, dem sorgfältig gekämmten und weit ausladenden Schnurrbart, unter dem ein akkurat viereckig zugeschnittener Kinnbart beinahe bis zur Brust hinabreichte. Die breite, in den Barthaaren endende Nase vermittelte den Eindruck eines hungrigen Löwen. Der Blick unter den hoch geschwungenen
    Augenbrauen – starr und eiskalt. Nie hatte man bei Schultheiß auch nur den Anflug einer Gefühlsregung gesehen.
    Michael Stappert hatte immer alles für bare Münze genommen, was der Hexenrichter ihm erzählt hatte. Als der Schultheiß ohne eine einzige Anschuldigung gegen Johann Steineke ermittelte und beteuerte, er habe sein Lebtag lang noch nie so viele Indizien gefunden wie in diesem Fall, da hatte er ihm vorbehaltlos geglaubt. Und als der Steineke gestanden hatte, hatte Stappert ihn zu Buße ermahnt und zu Standfestigkeit, was seine Aussagen betraf. So bemüht war er um die Rettung der Seele, dass er sogar noch einen Amtsbruder um Unterstützung bat. Der Steineke wollte nach dem Gespräch mit dem anderen Pastor nichts mehr mit Stappert zu schaffen haben und lehnte ihn auch als Beichtvater ab. Erst nach der Hinrichtung erfuhr Stappert den Grund dafür.
    Sein Amtsbruder erzählte ihm, der Steineke habe ihm geklagt, dass er keinen Menschen habe, dem er noch vertrauen könne.
    »›Wenn Ihr mir Verschwiegenheit versprecht und es nicht den Kommissaren erzählt, so will ich Euch sagen, wie es um mich steht!‹, sagte er, was ich ihm dann versprach. Wörtlich hat der Steineke gesagt: ›Ich hätte es nicht geglaubt, dass ein Mensch durch Pein und Marter zu Lüge und Unwahrheit gezwungen werden kann, bis ich es an mir selbst erfahren habe. Ich bin kein Zauberer und den Teufel habe ich nie gesehen. Und doch habe ich sagen müssen, ich sei ein Zauberer, und muss mich selbst um das Leben und andere um die Ehre bringen. Ich bitte Euch um Gottes willen, ach Pastor, so helft mir doch, dass ich noch selig werden kann! Ich bitte Euch aber, sagt es unserem Pastor Stappert nicht, der gute Mann ist viel zu eifrig bei der Sache und meint, es sei alles Evangelium, was hier getan wird. Wenn er jetzt bei mir wäre, so müsste ich lügen bis zum Tod, dass ich etwas getan habe, was mir nicht einmal in Gedanken eingefallen wäre.‹«
    Hatte Catharina Schutes sterben müssen, um seinen Verstand zu öffnen? Um ihm zu zeigen, dass er die Geschundenen in eine aussichtslose Lage getrieben hatte? Ekel vor sich selbst stieg in ihm hoch.
    »Anstatt ihnen zu helfen, hast du sie schmählich im Stich gelassen, sie noch tiefer in ihre Verzweiflung hinabgestoßen.
    Wenn du darüber nachdenkst, gibt es keinen einzigen Fall, indem die Angeklagten nicht ihre Unschuld beteuert hätten.
    Aber aus Angst vor neuen Torturen haben sie geschwiegen und den Tod vorgezogen. Und du hast es nicht wahrhaben wollen, hast blind auf die Obrigkeit und den Schultheiß vertraut. Wieso sieht denn keiner der anderen die Wahrheit? Warum sehen sie vor allem diejenigen nicht, die sich weitaus mehr mit den Untersuchungen beschäftigen als du, der du nicht den Prozessen beiwohnst und dessen Aufgabe sich darauf beschränkt, den Delinquenten als Beichtvater beizustehen und sie zum Richtplatz zu begleiten? War denn noch keinem von ihnen wenigstens ein Hauch von Zweifel gekommen?«
    Anstatt auf das Pfarrhaus hielt

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