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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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dem Gericht angegeben hast?
    Du wirst der ewigen Verdammnis anheim fallen, wenn du deine Seele nicht reinigst!«
    Sie versuchte vom Pritschenrand zu rutschen, um sich vor ihm niederzuwerfen, fiel aber mit einem Schmerzensschrei zurück. Er bemerkte ihren verzweifelten Blick, aber seine Augen blieben eisig.
    »O Herr Pfarrer«, schluchzte sie, »ich bitte Euch um Gott und Gottes willen – zürnt doch nicht mit mir, weil ich Euch die Wahrheit gesagt habe! Vor den Richtern habe ich bei meinem Geständnis bleiben müssen, sonst hätten sie mich wieder gemartert, und lieber will ich sterben, als nochmals eine Tortur durchleiden zu müssen!«
    »Es stimmt also nicht, dass du dich in Tiere verwandelt, Wind und Ungeziefer gemacht hast?«
    »Bei meiner Seligkeit, nein!«
    Ohne die Kricks weiter zu beachten, drehte sich der Pfarrer um und trat aus der Kammer.
    »Ihr habt es mit eigenen Ohren gehört. Was sagt ihr nun? Ist es nicht so, dass ihr jede gewünschte Antwort bekommt und sei sie noch so närrisch? Man muss sie nur lange genug quälen, dann geben sie alles zu, sie gestehen, sich in einen Berg, in eine Dornenhecke, einen Wolf, Bären, Katze oder Hund verwandeln zu können! Sie sagen euch, was immer ihr hören wollt! O welch Narrenwerk! Aber was sage ich, Narrenwerk?
    Narrenpossen sind nicht so ehrverletzend, qualvoll und tödlich!«
    Verstockt hielten sie ihre Blicke gesenkt, die Hüte kreisten in ihren Händen.
    »Was sagt ihr?«
    Schweigen. Nur vereinzelt verlegenes Hüsteln. War das noch ihr Seelsorger? Der sie noch vor kurzem von der Kanzel herab aufgefordert hatte, das Hexengesindel mit Stumpf und Stiel auszurotten? Der andauernd mit dem Hexenrichter Schultheiß zusammengesteckt hatte?
    »Wollt Ihr damit ausdrücken, es gebe gar keine Hexen, dass wir uns das nur ausdenken?«
    Eine Stimme warnte Stappert, erinnerte ihn an die Worte des Minoriten. »Nein!«, antwortete er nun ruhiger. »Aber es kann geschehen, dass man die Falschen erwischt, wie es hier offensichtlich geschehen ist, und sie dann so lange quält, bis sie die hirnrissigsten Vergehen eingestehen!«
    Einige fingen an zu murren und zu tuscheln, dann schoben sie den ältesten von ihnen nach vorn. Das schlechte Gewissen stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
    »Na, Josef, was ist?«
    »Das hier mit der Kricks geht uns eigentlich nichts an. Das soll der Kommissar verantworten und er soll zusehen, wie er es vor Gott und der Welt rechtfertigen will!«
    Das hatten die feigen Hohenpriester dem Verräter Judas auch zur Antwort gegeben. Doch das behielt Stappert lieber für sich.
    Er versuchte den Blick des Sprechers, dann in zunehmender Verzweiflung den irgendeines anderen einzufangen, aber sie alle wichen ihm aus. Der Pastor fühlte sich mit einem Mal müde, leer und ausgebrannt. Er hatte das Spiel gespielt und Agatha Kricks hatte es verloren.
    »Ihr seht nur das, was ihr sehen wollt«, sagte er noch, dann ließ er sie grußlos stehen.

    9

    Der Bahnhof in Basel war ein lang gestrecktes Gebäude, überragt von einem gewaltigen und weithin sichtbaren Uhrturm. George Lincoln hatte den Zwischenaufenthalt für einen kurzen Abstecher in die Stadt genutzt, um sich ein wenn auch nur unscharfes Bild jener Stadt zu machen, von der aus sich, ausgelöst durch die Diskussionen auf dem Basler Konzil in den Dreißigerjahren des fünfzehnten Jahrhunderts, der Hexenglaube über fast ganz Europa verbreitet hatte. Hier hatte Johannes Nider damals seinen »Formicarius« vorgestellt, den fünfzig Jahre später seine dominikanischen Ordensbrüder Heinrich Institoris und Jakob Sprenger im »Hexenhammer« als Beweis für die tatsächliche Existenz von Hexen anführten.
    Nun stand Burr wieder auf dem großen Bahnhofplatz und bestaunte den umlaufenden Säulengang mit der darüber liegenden filigranen Balustrade. Ihm war zwar nicht ganz klar, wozu ein Bahnhof eine Balustrade brauchte, aber er musste zugeben, dass sie dem Bauwerk etwas von seiner nüchternen Zweckbestimmung nahm. Ein Blick auf die Turmuhr sagte ihm, dass er noch knapp eine Stunde Zeit hatte, bis sein Zug nach Zürich fuhr. George Lincoln setzte sich in die Bahnhofsgaststätte und bestellte Schweizer Rösti mit zwei Spiegeleiern. Während er auf das Essen wartete, blätterte er in seiner beinahe fertigen Dissertation über den Flade-Prozess.
    Nach längerem Suchen nach weiteren verschollenen
    Dokumenten war er doch noch fündig geworden. 1818 war beim Antiquar Clotten in Echternach das Fragment einer zeitgenössischen

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