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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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trüben Fenster einfallende Licht wurde zunehmend schwächer. Nur ein einziges Regal hatte Burr noch vor sich und die Hoffnung von heute Vormittag, hier etwas Aufregendes zu finden, war nach und nach einer enttäuschten Ernüchterung gewichen. Mit einem Seufzer nahm er das nächste Buch in die Hand. Genau genommen war es gar kein richtiges Buch, die Blätter waren lediglich zusammengeheftet. Gerade war er dabei, das Ganze vom Staub zu befreien, als der Bibliothekar eintrat.
    »Na, haben Sie etwas gefunden?«
    »Bis jetzt noch nicht.«
    Burr wandte sich wieder den Blättern zu. Das Titelblatt fehlte und ein paar Seiten waren herausgerissen. Der Index war mit einer blasseren Tinte geschrieben als das Werk selbst. Dann aber verschlug es ihm den Atem. Langsam ging er hinüber zum Fenster. Keuffer, dem Burrs Veränderung nicht entgangen war, folgte ihm.
    »1. Die Verschiedenheit der Zauberei«, stand da, »2. Das Wesen der Dämonen, 3. Die Vielfalt der Zauberei«.
    »Bodeghemius!« Burrs Stimme war nur noch ein Flüstern.
    »Was ist mit Bodeghemius?«
    »Eine Schenkung an die Jesuiten, wie es aussieht. Aus dem Nachlass von Bodeghemius!«
    Die beiden Männer sahen sich ungläubig an.
    »Zeigen Sie her!« Auch Keuffer konnte seine Aufregung nicht verbergen.
    Ihre Blicke trafen sich und sie wussten, dass sie dasselbe dachten, aber keiner wollte es als Erster aussprechen. Der Bibliothekar beugte sich über den Fund. Er zählte dreiundachtzig Blätter, eines davon unbeschrieben, von den restlichen waren sechsundvierzig mit Seitenzahlen versehen.
    Keuffer begann zu lesen, zuerst langsam, dann mit zunehmender Gewissheit schneller. Schwer atmend richtete er sich auf.
    »Wissen Sie, was Sie da gefunden haben?«
    »Wir!«, unterbrach ihn Burr bescheiden. »Wir! Das ist die erste schriftliche Stellungnahme eines Theologen aus Deutschland gegen den Hexenwahn!«
    »Cornelius Loos! ›De vera et falsa magia‹ – das ›ficta‹ haben sie durchgestrichen und teilweise durch ›falsa‹ ersetzt. Also
    ›eingebildet‹ durch ›falsch‹. Was das für Sinn machen sollte, ist mir schleierhaft.«
    »Del Rio?«
    »Gut möglich. Er hat sich ja von Binsfeld den Widerruf von Loos besorgt und ihn in seinem fünften Buch als
    abschreckendes Beispiel ausführlich angeführt. Auch bei Del Rio steht ›falsa‹. Vielleicht waren sie nicht sicher, ob sie wirklich alle Exemplare erwischt hatten? Dieses dürfte eigentlich nicht existieren und ›falsch‹ hört sich auf jeden Fall prägnanter an als ›eingebildet‹.« Keuffer machte eine kurze Pause und in seinem Blick stand offene Bewunderung.
    »Unglaublich!«, fuhr er fort. »Da muss erst jemand aus Amerika kommen, um ein dreihundert Jahre lang bis auf das letzte Blatt vernichtet geglaubtes Schriftstück zu finden!«
    »Wie es aussieht, wussten die Jesuiten nichts so Rechtes damit anzufangen«, antwortete Burr.
    »Es ist offensichtlich mit den Beständen des Jesuitenkollegs in die der Universität übergegangen, aus denen später die Stadtbibliothek wurde! Und keiner hat sich je die Mühe gemacht, es einmal in die Hand zu nehmen!«, meinte Keuffer.
    »Wenn es bei den Jesuiten war, hat es einer mit Sicherheit in der Hand gehabt – und auch gelesen!«, widersprach Burr bestimmt.
    Der Bibliothekar überlegte, aber nur einen winzigen Moment.
    »Spee!«

    Teil II

    Cautio criminalis

    10

    Friedrich Spee von Langenfeld hatte auf Wunsch des Vaters die Juristerei erlernen und dessen Nachfolge als Burgvogt und Amtmann des kurkölnischen rechtsrheinischen Brückenkopfes Kaiserswerth bei Düsseldorf antreten sollen, aber schon als Kind davon geträumt, als Missionar nach Indien zu gehen, dort die Heiden zu bekehren und Abenteuer zu bestehen wie sein großes Vorbild Franz Xaver, der Indienmissionar von der Gesellschaft Jesu, dessen Berichte regelmäßig gedruckt wurden und von denen Friedrich nie genug bekommen konnte.
    Mit geschlossenen Augen lag er als Junge in einem stillen Winkel auf der Mauer des Wehrumgangs der Festung. Oft stundenlang. Der Rhein wurde unendlich, wurde so breit, dass er mit dem Horizont verschmolz, die Kähne verwandelten sich in große, mächtige Segler. Hoch wogten dann die Wellen, drohten die Besatzung über Bord zu spülen, während die Piraten einen erneuten Angriff auf das Schiff unternahmen.
    Einen Räuber nach dem anderen warf er eigenhändig ins Meer, hell blitzten die klirrenden Schwerter um ihn herum im Sonnenlicht und er öffnete die Augen nicht eher, bevor sie nicht

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