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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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der Kölner Kurfürst Ferdinand von Bayern den Stadtvätern von Peine, umgehend alle protestantischen Geistlichen durch katholische Pfarrer zu ersetzen. Ebenso hatte sich die Bevölkerung auf seine Anordnung hin unverzüglich zum katholischen Glauben zu bekennen oder innerhalb von sechs Monaten das Land zu verlassen. Nicht wenige kehrten daraufhin ihrer Heimat den Rücken. Um eine noch größere Abwanderung zu verhindern, bat der Kurfürst als ehemaliger Schüler der Jesuiten den Orden um die Entsendung eines geeigneten Paters. Die Wahl fiel auf Friedrich Spee.
    Über der Heide begann sich die Nacht vom Tag zu trennen, das sanfte Licht der aufgehenden Sonne färbte die weißen Rinden der Birken in zartes Rosa, die Büsche des Stechginsters trugen die ersten gelben Blüten und die Schatten der säulenartigen Wacholderbüsche wurden zunehmend kürzer.
    Schwerer Tau, der noch auf Gräsern und kargen Halmen lag, zerstob unter den galoppierenden Hufen des kleinen Pferdes.
    An den moorigen Stellen wuchsen Schach- und
    Kuckucksblumen, Tausendgüldenkraut und Fleisch fressender Sonnentau. Friedrich Spee kannte sie und sie alle zeugten von der Allmacht und der Herrlichkeit des Schöpfers. Im Wald vor ihm hatte sich Frühnebel im Geäst der Bäume verfangen, schien sich nur mühsam lösen zu können. Der Pater zwang das Pferd zu einer langsameren Gangart. Der morastige Weg wurde nun schmal, Wurzeln wanden sich wie armdicke Schlangen über den Pfad. Der Wald lag etwa auf der Hälfte der Strecke zur kleinen Ortschaft Woltorf, wohin Spee zum Lesen einer Morgenmesse unterwegs war. Es war die Zeit, die nur ihm gehörte, die unbeschmutzt war von all dem Gezänk, Streit, Hass und der Not um ihn. Die Zeit, in der sich seine Seele erhob und er seine Empfindungen in Worte zu fassen versuchte.

    »Wann Morgenrot sich zieret
    Mit zartem Rosenglanz,
    Und gar sich dann verlieret
    Der nächtlich Sternentanz:
    Gleich lüstet mich spazieren
    Im grünen Lorbeerwald,
    Allda dann musizieren
    Die Pfeiflein… mannigfalt.«

    Er überlegte. Vöglein oder Pfeiflein, entschied sich dann aber doch für Pfeiflein. Schließlich pfiffen Vögel mit ihrem Schnabel und zudem fand er es poetischer.
    »Nun hab ich dich!«
    Spee erschrak heftig. Wie aus dem Nichts war sie
    aufgetaucht. Eine massige Gestalt auf einem plumpen Gaul, das Gesicht unter einer tief herabgezogenen Kapuze versteckt.
    Spee sprang die Feindseligkeit an wie ein wilder Löwe, auch das Tier unter ihm wurde unruhig. Für einen Augenblick verrutschte die Kapuze und er glaubte einen der Männer von heute früh zu erkennen, die ihm den Zugang zur Morgenmesse in Peine verwehrt hatten, einen Graubärtigen mit düsterem Blick. Langsam hob sich der Umhang seines Gegenübers.
    Instinktiv schien Spees Pferd die Gefahr zu wittern, mit panischem Wiehern stieg es urplötzlich in die Höhe, während ein kurzer Blitz aufzuckte und ein gewaltiger Knall die Stille zerfetzte. Ein dumpfer Aufschlag – die Kugel fuhr in den Baum neben ihm, löste splitternd auf der Breite einer Elle die Rinde vom Stamm. Spee drängte das Tier noch im Aufbäumen mit harter Hand vorwärts, vorbei an dem Fremden, sah in ungläubigem Erstaunen aufgerissene Augen und ritt um sein Leben. Das kurze Stück aus dem Wald hinaus erschien ihm wie eine Ewigkeit. Hinter sich hörte er das Brechen von Ästen, das schwere Schnauben des immer näher kommenden fremden Gaules und das heisere Fluchen des Reiters. Aufrecht in den Bügeln stehend jagte er über das freie Feld, erkannte im Umdrehen eine auf ihn gerichtete Pistole, wartete auf den nächsten Schuss, der ihn gleich in den Rücken treffen würde.
    Spee versuchte sich möglichst klein zu machen, warf sich an den Hals des Pferdes. Dort, wo gerade noch sein Kopf gewesen war, hörte er ein Sirren. Wieder daneben! Nun ritten sie scharf nebeneinander, Spee versuchte seitlich auszuweichen.
    Vergeblich. Hart und unnachgiebig drängte sich der andere an ihn heran, nun den Lauf einer der beiden Pistolen in der Faust.
    Spee überkam für einen Augenblick so etwas wie
    Erleichterung, denn offensichtlich hatte der Mordbube nur zwei Schießeisen und im vollem Galopp konnte er nicht nachladen. Spee sah die hoch erhobene Hand, duckte sich und der Schlag ging ins Leere, dafür traf ihn der nachfolgende Hieb umso furchtbarer. Er glaubte seinen Schädel zerspringen zu hören, als der eisenbesetzte Pistolenknauf mit voller Wucht auf seinen Kopf prallte.
    Der plumpe Gaul neben ihm kam kurz ins Stolpern und

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