Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
Vom Netzwerk:
Schreiber, der genügend Zeit hat und sich sicher gern etwas zu seiner mageren Pension dazuverdient.« Er kratzte sich nachdenklich an der Nase. »Allerdings weiß ich nicht, wie gut sein Latein ist!«
    »Ach, was soll’s. Abschreiben wird er es wohl können!«, antwortete Burr bestimmt.
    »Wie wäre es mit einer dieser neuen Schreibmaschinen? Da könnte man gleich ein oder zwei Durchschläge machen?«
    George Lincoln sah ihn mit geradezu sprachlosem Entsetzen an. »Den Loos mit einer Schreibmaschine?«, fragte er, nachdem er sich wieder gefasst hatte. »Mit so einem seelenlosen Eisenkasten? Ich bin zwar gelernter Drucker, mein Herr, aber trotzdem…! Die Abschrift des Originals wird von Hand gemacht, das ist das Mindeste! Das Allermindeste!«
    »War ja nur so eine Idee!«, erwiderte Keuffer verlegen.
    Burr dachte einen Moment nach. »Papier! Ich brauche noch Papier, aber nicht irgendeines! Ich gehe gleich in die Stadt und schaue mich um. Würden Sie das mit dem Schreiber in die Wege leiten?«
    Der Bibliothekar nickte.
    Am nächsten Morgen erschien George Lincoln zur
    vereinbarten Zeit in der Bibliothek. Keuffer und der Schreiber waren schon da. Letzterer hatte einige Schreibproben mitgebracht, die Burrs Zustimmung fanden. Er selbst hatte eine Flasche indische Tinte besorgt und entgegen seiner sonstigen Sparsamkeit feines transparentes Papier erstanden, das mit einer dünnen Ölschicht überzogen war. Burr wies den Schreiber noch an, die Schriftgröße, die Zeilenendungen und die Absätze peinlich genau beizubehalten, um nicht womöglich die Seitenzahlen zu verschieben.
    Dann wandte er sich an den Bibliothekar. »Jetzt ist mir leichter und ich kann beruhigt in die Schweiz fahren!«

    Der Gesichtsausdruck des Polizeibeamten in Basel hatte etwas leicht Süffisantes, als Burr nach seiner Tasche fragte und das Telegramm vorlegte.
    George Lincoln war nun mindestens ebenso aufgeregt wie vor ein paar Tagen in Trier und musste sich zwingen, ruhig zu bleiben. Gewicht und Umfang nach zu urteilen war die Tasche zumindest nicht leer. Bedächtig löste er die Riemen und breitete alles vor sich auf dem Tresen aus.
    »Unglaublich!«, murmelte er dann. »Es ist einfach unglaublich!«
    Als er aufblickte, hatte der Polizist noch immer diesen sonderbaren Ausdruck im Gesicht, ganz so, als wüsste er ein Geheimnis, wonach er bitteschön gefragt werden wollte. Burr interessierte das allerdings im Augenblick genauso sehr, wie wenn in Indien einem Maharadscha eine Fliege in die Teetasse fällt. Hauptsache, es war alles da. Er konnte es immer noch nicht fassen. Tatsächlich, es fehlte nichts, kein einziges Blatt!
    Der Beamte hielt es nun nicht mehr länger aus. »Der Finder hat gesagt, kein Mensch könne dieses fürchterliche Geschreibsel lesen!«
    So, nun war es heraus und ihm war die Befriedigung anzusehen, es einem dieser überheblichen Akademiker gegeben zu haben, die keiner anständigen Arbeit nachgingen und von denen man nicht wusste, womit sie eigentlich ihr Geld verdienten. Das war zwar nicht besonders schmeichelhaft, aber Burr konnte nicht anders und musste laut lachen. Seine Handschrift war in der Tat etwas ungewöhnlich und für einen Fremden nicht zu entziffern. Vor Jahren hatte er sich mit einer neuen Form der Kurzschrift beschäftigt, das System jedoch nie richtig in den Griff bekommen und war daher zur
    herkömmlichen Schreibweise zurückgekehrt. Allerdings streute er hin und wieder einzelne Kürzel ein, was zugegebenermaßen ein ziemlich eigenwilliges Schriftbild ergab. Zudem war alles auch noch in Englisch.
    »Wie ist denn die Tasche wieder aufgetaucht?«
    »Ein Bauer hat sie am Dienstag vorbeigebracht und darauf bestanden, die Belohnung zu kassieren. Angeblich hat er sie vor der Scheune auf seinem Hof gefunden. Am Ostermontag war er natürlich nicht in Basel. Darauf hat er Stein und Bein geschworen!«
    »Na, vielleicht hätte er sie zuerst zurückbringen und erst dann zur Beichte gehen sollen.«
    Der Polizist sah ihn verständnislos an.
    »Sind Sie katholisch?«
    »Nein, Calvinist!«
    »Ach so!«, antwortete Burr, bedankte sich nochmals und verließ eilig den Polizeiposten, um seinen Zug zu erwischen.
    Kaum im Wagon, machte er sich sofort daran, an seiner Dissertation weiterzuarbeiten, gab es aber nach kurzer Zeit auf, da seine Gedanken ständig abschweiften. Siedend heiß fiel ihm Pee ein. Ihren letzten Brief hatte er immer noch nicht beantwortet. Pee! Bei ihrem Namen fühlte er nicht mehr dieses heiße Lodern in seiner

Weitere Kostenlose Bücher