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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Brust, eher ein schwaches Glimmen. Er erschrak über dieses Eingeständnis und versuchte sich zu erinnern. Nein, in den letzten drei Tagen hatte er kein einziges Mal an sie gedacht. Mögliche Entschuldigungen dafür verwarf er sogleich als laue Ausreden. Das sollte Liebe sein? Er beschloss, ihr auf der Stelle einen Brief zu schreiben und ihr vorzuschlagen, dass sie ihre Situation nach seiner Rückkehr von Angesicht zu Angesicht klären und nichts überstürzen sollten, worunter einer von ihnen und womöglich sogar beide zu leiden hätten.
    In der Moselstadt überschlugen sich die Ereignisse. Von überall her kamen Anfragen, die nationale und die gesamte europäische Presse berichtete über Burrs Fund, lobte ihn in den höchsten Tönen. Täglich trafen Schreiben mit der Bitte um möglichst schnelle Beantwortung ein und als der große Historiker Janssen die Echtheit der Dokumente bestätigte, gab es kein Halten mehr. Zu alledem teilte ihm Andrew Dickson White mit, dass er, White, als Attache ins Zarenreich nach Sankt Petersburg berufen sei und Burr vor seiner Abreise gern wieder in Amerika sähe.

    12

    Der Peiner Bürgermeister hatte unverzüglich Musketiere und Berittene ausgesandt, um des Attentäters habhaft zu werden, doch der war längst über alle Berge. Friedrich Spee war dank des Wundarztes am folgenden Morgen transportfähig, sodass er in einer Kutsche nach Hildesheim verbracht werden konnte.
    Dem Provinzial des Ordens, Pater Bavingh in Köln, kam der Überfall alles andere als gelegen. Nicht dass er mit Spee besonderes Mitleid gehabt hätte, vielmehr wurmte es ihn, dass ausgerechnet dieser widerborstige und eigensinnige Mitbruder, der nicht einmal Vollmitglied des Jesuitenordens war, geradezu zu einem Märtyrer hochstilisiert wurde.
    Ausgerechnet Friedrich Spee von Langenfeld, den er aus Köln hatte weghaben wollen und deshalb nach Peine geschickt hatte! Nichts als Schwierigkeiten hatte er bislang mit ihm gehabt. Spee hatte sich beim Ordensgeneral über die Einstellung des Ordens zur Armut beklagt, dann war er auf die Idee verfallen, das Terziat, also das dritte Jahr der Ausbildung, in Italien zu verbringen, dort das Italienische zu lernen, um mit den verwundeten und erkrankten welschen Landsknechten und Söldnern in ihrer Sprache parlieren zu können! Es hatte einige Mühe gekostet, den Ordensgeneral, der Spee schon einen Platz im Mailänder Kolleg zugewiesen hatte, dazu zu bewegen, seine Zusage zurückzunehmen und den aufmüpfigen Pater stattdessen nach Speyer zu schicken.
    Nach Abschluss des Tertiärjahres war eine Versetzung nach Wesel vorgesehen gewesen, aber in Köln war Iberus Fekenius, Professor der Philosophie, erkrankt und an seine Stelle war ausgerechnet Spee beordert worden, obwohl er nicht einmal alle dazu nötigen akademischen Prüfungen vorweisen konnte!
    Das war auch seinem Unterricht anzumerken, wo er es nicht nur an der nötigen Strenge fehlen ließ, sondern dazu noch unverblümt seine Meinungen und Ansichten verkündete, besonders wenn es um den Hexenglauben und die damit verbundenen Prozesse ging. Allerdings war ihm da nur schwer beizukommen, weil er sich auf den Tiroler Ordensbruder Adam Tanner, der in Ingolstadt Moraltheologie lehrte, und dessen von vielen Autoritäten anerkanntes Werk »Theologia scholastica« berief. Auch Tanner ging gegen die Auffassung von Binsfeld und Del Rio an – die wie schon der
    »Hexenhammer« in der Hexerei ein außergewöhnliches Verbrechen sahen, das ebenso außergewöhnliche Maßnahmen und härteste Bestrafung erforderte – und verlangte die Einhaltung der Prozessordnung, bestritt die Rechtmäßigkeit erfolterter Geständnisse und beharrte darauf, noch so viele Denunziationen seien kein Beweis für irgendetwas. Der Tiroler stellte auch in Abrede, dass es, wie von Binsfeld und Del Rio behauptet, unmöglich sei, Unschuldige hinzurichten, und führte als Argument die Exekution zweier Hexenrichter in München und Fulda an. Und ausgerechnet in Köln schlug dieser Spee in die gleiche Kerbe, in Köln, wo der Magistrat ein halbes Jahr vor seiner Ankunft in einem Aufsehen erregenden Prozess die verwitwete Postmeisterin Katharina Henot hinrichten hatte lassen. Ohne Frage, der Prozess war spektakulär gewesen und es gab Stimmen, die die Ansicht vertraten, da habe der Postmeister Coesfeld von der Taxis-Post seine Finger im Spiel gehabt, um die lästige Konkurrenz auszuschalten. Obwohl die Henot ohne Geständnis verurteilt worden war, sprach doch alles dafür, dass

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