Die Lichtfaenger
sie eine Hexe gewesen war. Davon waren auch ihre beiden Beichtväter, die jesuitischen Mitbrüder Adrian Horn und Hermann Mohr, überzeugt. Selbst ihr Bruder Hartger, Domherr, Dechant von Sankt Andreas, Probst von Sankt Severin, Doktor beider Rechte und Kurfürstlicher Rat, hatte ihr nicht helfen können.
Und überhaupt – was für ein Licht warf es auf den Orden, wenn sich die Mitglieder nicht schämten, ihre eigenen Confratres bloßzustellen?
Doch das war noch lange nicht alles! Wegen der
Druckerlaubnis für seine Schrift »Vom immerwährenden Lobe Gottes« hatte sich Spee erst vor kurzem direkt an den Ordensgeneral in Rom gewandt und ihn, Hermann Bavingh, seinen direkten Vorgesetzten, einfach übergangen. Zwar erhielt er dafür einen geziemenden Rüffel, aber es blieb dennoch ein Beigeschmack, da der General die Schrift trotzdem wohl wollend prüfen lassen wollte. Den Gipfel der Unverfrorenheit nach alldem bildete das Gedicht, das Spees Schüler zum Abschied auf ihren Lehrer verfasst hatten: »Ach, vom Rumpfe getrennt ist das Haupt des Iberus. In Spe war die Hoffnung, Friedrich, die Hoffnung. Friedrich Spe, lebe wohl, während des Meisters Siechtum, Gnädiger, warst du die Hoffnung der verzweifelten Weisen. « Widerlich, diese Anspielung auf Spees Namen und das lateinische Wort spe – Hoffnung – und die Verächtlichmachung des Vorgängers! Nein, es war schon eine gute Entscheidung gewesen, diesen Unruhestifter nach Peine zu schicken. Nun war er zur Genesung in Falkenhagen, wo er sicher noch eine Weile bleiben würde, und mit der Zeit würde sich die allseitige Bewunderung für seine bestimmt maßlos aufgebauschte Heldentat legen.
Der Brief war knapp gehalten. In wenigen Sätzen bat ihn der Fürstabt von Corvey um die Abhaltung von Exerzitien im dortigen Benediktinerkloster, wogegen sein Vorgesetzter Bavingh nichts einzuwenden hatte. Nach dem Überfall hatte Spee eine kurze Zeit in Hildesheim verbracht und war dann vor drei Monaten, als es sein Zustand erlaubt hatte, ins Kloster Lilienthal bei Falkenhagen gezogen, das von zwei alten Mitbrüdern bewohnt wurde. Der Ruf nach Corvey erweckte in ihm zwiespältige Gefühle. Es hieß, die Mönche nähmen es dort mit den Ordensgelübden nicht so genau, völlerten und sauften und weder der Abt noch der Prior seien in der Lage, sie in die Disziplin zu nehmen. Wenn sie sich nicht mehr anders zu helfen wussten, als einen Jesuiten anzufordern, steckte sicher mehr dahinter als übel meinender Tratsch. Von wem der Vorschlag gekommen war, ausgerechnet ihn anzufordern, darüber musste Spee nicht lange nachdenken. Der dortige Prior war sein Vetter. Arnold von Waldlois war ein gutmütiger Mann, ein offener Geist ohne Hinterlist – Eigenschaften, die vermutlich der Grund für die Schwierigkeiten in Corvey waren.
Der Empfang war frostig. Der feiste Pförtnerbruder fuhr regelrecht zusammen, als Spee seinen Namen nannte, und die Augen, über denen schwere Lider hingen, konnten ein feindseliges Aufblitzen nicht verbergen. Missmutig watschelte er wie ein Enterich vor dem Besucher her, die mächtigen Gesäßbacken schoben sich unter der Kutte beinahe rhythmisch zu gewaltigen Bergen zusammen, um gleich darauf der Schwerkraft zu folgen. Vor dem Arbeitszimmer des Priors ließ er ihn einfach stehen, murmelte verkniffen Unverständliches und deutete mit dem Kopf zur Tür, was Spee allerdings nicht daran hinderte, sich freundlich zu bedanken. Friedrich Spee sah ihm nach, wie er versuchte, möglichst schnell seinem Blick zu entschwinden. Erst als der Bruder Pförtner ums Eck gebogen war, klopfte ein belustigter Spee an die Tür.
»Um Gottes willen, Friedrich!«, entfuhr es Arnold von Waldlois anstatt eines Willkommensgrußes. »Wie siehst denn du aus?«
Er erhob sich aus seinem Sessel und drückte dem Gast herzlich die Hand. Sein Blick fand nur kurz Spees Augen und fuhr dann tastend über dessen Kopf. Ein Teil der Narben wurde von dem sorgsam gestutzten Vollbart verdeckt, aber ein langer Schmiss zog sich sichtbar über Stirn und Nasenwurzel, die Ränder der vom Tollen Tyle abgeschnittenen Hautlappen hatten sich zu Furchen verwachsen.
»Ich habe natürlich von dem Überfall gehört und dass du dem Tod näher warst als dem Leben…«
»Gottes Wille. Offensichtlich hat er mit mir noch etwas hier auf Erden vor«, lächelte Spee, wurde aber gleich darauf ernst.
»Immer wieder habe ich den Herrn angefleht, mir eine schwere Bürde aufzuerlegen. Wie spricht Christus am Kreuz zu den
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