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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Spees Fenster brach mit lautem Krachen ein beinahe armdicker Ast vom Birnbaum, wie ein Spielzeug trieb ihn der Wind vor sich her, bis er sich in der Hecke gegenüber verfing und sich dort festzuklammern schien.
    Spee legte den Gänsekiel beiseite und erhob sich. Wie konnte er in Ruhe hier sitzen und an erbaulichen Gedichten für seine Sammlung, die er »Trutz-Nachtigall« nennen wollte, feilen?
    Da draußen waren die Elemente in Aufruhr und wahrscheinlich würden sie wieder Schuldige suchen und auch finden, wenn der Sturm größere Schäden anrichtete. Hatten sie denn noch immer nicht genug davon? Genügte den Menschen der Krieg nicht mit verwüsteten Städten, brachliegenden Äckern, die niemand mehr zu bestellen wagte, verrohten marodierenden Landsknechten, verstümmelten Leichen von Alten und Kindern, vergewaltigten Frauen und Mädchen?
    Er fand seinen Vetter dort, wo er ihn vermutet hatte – im Arbeitszimmer.
    »Mein lieber Arnold, ich brauche deinen Rat. Ich wüsste nicht, an wen ich mich sonst wenden könnte!«
    »Nur zu! Wenn ich dir helfen kann, gern!«
    »Sagt dir der Name Katharina Henot etwas?«
    »Nur so nebenher habe ich von ihr gehört!«
    »Bevor ich 1627 nach Köln kam, wurde sie als Hexe hingerichtet. Angefangen hat es damit, dass einige besessene Schwestern des Klosters Sankt Klara sie der Hexerei bezichtigten und behaupteten, sie könnten nur dann von ihrem Leiden erlöst werden, wenn man mit aller Härte gegen die Henot vorginge. Eine der Schwestern wurde nach Lechenich ins Gefängnis verbracht, dort gefoltert und letztlich verbrannt.
    Und auch die Henot wurde verbrannt, obwohl sie immer wieder ihre Unschuld beteuerte und selbst unter der Folter nicht gestand. So ist es immer! Gesteht eine Angeklagte, wird sie umgebracht. Gesteht sie nicht, wird sie gemartert. Gesteht sie immer noch nicht, wird sie trotzdem umgebracht, weil es ja der Teufel ist, der sie standhalten lässt. Was ist das für eine Rechtsprechung! In Köln haben wir diesen Fall oft diskutiert und er lässt mir keine Ruhe. Er ist zwar nur einer von Tausenden, aber er zeigt deutlich den Vernichtungswillen der Hexenrichter und deren Handlanger, ebenso die
    Gleichgültigkeit der Herrschenden!«
    Er machte eine Pause und fasste sich an den Kopf.
    »Schmerzen?«
    Spee nickte und fuhr fort: »Trier, Würzburg, Mainz, Köln –
    überall, wo ich hinkomme, nichts als Hexen, Hexen, Hexen.
    Halb Deutschland scheint von Hexen bewohnt zu sein! Der Henot-Prozess zieht einen Rattenschwanz weiterer Anklagen hinter sich her und ein Ende ist nicht abzusehen.«
    »Ich verstehe deine Einstellung, auch wenn ich sie nicht in allen Punkten teile. Und was du in deiner Anleitung zur geistlichen Besinnung, dem ›Güldenen Tugend-Buch‹, geschrieben hast, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich kann die Stelle, so glaube ich, auswendig: ›Gar viele, ja unzählbar viele werden unschuldig gefoltert, gepeinigt, gereckt, müssen aus unerträglicher Pein gegen sich und andere bekennen, woran sie nicht einmal gedacht hatten. Und wenn sie tausendmal vor Gott unschuldig sind, will man ihnen doch nicht glauben. Hinzu kommen unwissende Beichtväter, bei denen sie keinen Trost finden, die sie mit ihrer Ungestümheit überfallen und innerlich noch mehr peinigen als alle Schergen zusammen. O Gott, was ist das für ein Gräuel, was ist das für eine Gerechtigkeit!‹«
    Arnold von Waldlois schwieg sichtlich berührt.
    »Dieser Glaube an eine Unmenge von Hexen in unserem Land wird aus zwei Quellen genährt. Deren erste heißt Unwissenheit und Aberglauben und die andere Neid und Missgunst«, fügte Spee hinzu.
    Draußen wütete immer noch das Unwetter, der Sturm hatte zwar etwas nachgelassen, dafür klatschte nun schwerer Regen an die Scheiben.
    Spee deutete zum Fenster. »Der Herr möge verhüten, dass allzu großer Schaden entsteht!«
    Arnold von Waldlois nickte stumm und sah dann seinen Vetter an. »Ich ahne, was du vorhast. Das ist lebensgefährlich!
    Du kannst nicht in die Rechtsprechung eingreifen. Friedrich, du bist ein von Gott begnadeter Poet, aus deinen Liedern und Gedichten strömt eine Leidenschaft und Glut, die mitreißt, begeistert und die Herzen öffnet. Du bist einer, der in dieser dunklen Zeit Hoffnung verbreitet…«
    Spee winkte verlegen ab. »Aber ich kann die Leute aufrütteln, zumindest muss ich es versuchen, das ist meine Christenpflicht! Kennst du jemanden, der bereit ist, finanziell ein gewisses Risiko einzugehen? Am besten einen Drucker?«
    Der

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