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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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empfand keine Schadenfreude über den Anschlag auf Reinhards, nur tiefes Mitleid. In welch tiefer Verzweiflung mussten die Menschen verfangen sein, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sahen, als einen fürstlichen Beamten zu meucheln, obwohl ihnen klar sein musste, dass dies nur einen zeitlichen Aufschub brachte und eine exemplarisch harte Strafe nach sich ziehen würde? Trotzdem – sie würden weiterhin an Hexen glauben, nur bestreiten, dass die eigene Ehefrau, die Tochter oder der Mann dazugehöre. Mutlosigkeit sprang ihn an, drückte felsenschwer auf sein Gemüt. Er musste mit Ihm reden, mit Ihm, dem er sich anvertrauen konnte, der in den tiefsten Abgrund seines verzweifelten Herzens sah.
    Gerade aus der Kirche zurück, wollte er über die Treppe hinauf in seine Kammer, als ihn eine Stimme zurückhielt.
    »Pater Friedrich, da ist ein Brief für Euch!« Es war einer der Novizen, der Pfortendienst hatte. »Hier, aus Rom!«
    Rom! Vom Ordensgeneral Vittelesci! An ihn persönlich gerichtet! Also doch! Scheinbar gelassen nahm er das Schreiben entgegen, dankte freundlich.
    In seiner Stube erbrach er das Siegel und begann noch im Stehen zu lesen. Es war genau das, was er befürchtet hatte.
    Von ordensschädigendem Verhalten war die Rede, dass er auf die jüngeren Mitglieder und insbesondere die Schüler einen ungünstigen Einfluss ausübe, vor allem mit gewissen Reden.
    Gewissen Reden! Zum Schluss bat ihn Vittelesci um eine unverzügliche Stellungnahme zu den Vorwürfen. Eigentlich war im ganzen Schreiben nichts Greifbares, alles war irgendwie schwammig. Offensichtlich hatten die Denunzianten
    – wie er zwischen den Zeilen lesen konnte, waren es mehrere –
    davor zurückgescheut, den wahren Grund ihrer Beschwerde zu erkennen zu geben. Kein Wunder, schließlich wussten sie, dass man in Rom über die Hexenfrage ganz anders dachte als hierzulande. Zwar schmerzte die Hinterlist, aber Spee kam nicht umhin, grimmig zu lächeln. Kein einziger der Anwürfe bot einen konkreten Anhalt und es würde ihm geradezu Vergnügen bereiten, sie allesamt zu widerlegen. Doch erst musste er etwas Abstand gewinnen, um sich nicht zu emotionalen Antworten hinreißen zu lassen. Spee zog den Stuhl heran, setzte sich, überlegte kurz und begann zu schreiben.

    » Wann schon die Stolzen spotten mein
    Und ihr Gelächter treiben;
    Wann schon all Welt mit stimmet ein,
    Und wollt sich an mir reiben;
    Will ich doch ohne alle Scheu
    Für Fürsten und für König
    Von Gottes Worten reden frei!«

    Im Kloster sprach sich die Nachricht, dass Spee einen Brief aus Rom bekommen hatte – sicher einen Rüffel, wenn nicht gar die Androhung einer Disziplinarstrafe –, schnell herum.
    Nach dem Abendessen kam der eine und andere auf ihn zu, wie zufällig, die Neugier nur mühsam verbergend. Bald hatte sich ein kleines Grüppchen um ihn gesammelt. Ja, es stimme schon, beschied er, der Brief sei vom Pater General, um eine Stellungnahme sei er gebeten worden. Wozu, das könnten sie sich denken.
    »Aber da ist mir nicht bange. Ich werde mich auf die Mitbrüder unseres Ordens beziehen, die zu den gleichen Schlussfolgerungen gekommen sind. Besonders auf den trefflichen Adam Tanner und den verehrten Paul Laymann!«
    »Laymann?«, kam eine spöttische Entgegnung. »Gerade Laymann redet neuerdings den Prozessen und der Folter das Wort! Lest doch einmal, was er in seinem Buch ›Processus juridicus contra sagas et veneficos‹ schreibt, das gerade auch in deutscher Übersetzung erschienen ist: ›Rechtlicher Prozess gegen Unholden und zauberische Personen‹, so heißt es! Er bezieht sich darin laufend auf den ›Hexenhammer‹, auf Binsfeld und Del Rio! Früher, ja, da hat er sich
    dagegengestellt, jetzt aber scheint er anderer Meinung zu sein.
    Wenn ihr mich fragt, so hängt er sein Mäntelchen nach dem Wind!«
    Spee nickte. »Ich kenne es. Nur, es ist nicht von Paul Laymann!«
    »Von wem soll es denn sonst sein? Sein Name steht dick und fett auf dem Einband!«
    »Es gibt bereits eine zweite Ausgabe, allerdings ohne seinen Namen! Warum wohl?« Spee konnte nicht umhin, sich ein wenig an ihren ratlosen Blicken zu weiden. »Paul Laymann ist unser Ordensbruder. Also müsste das lateinische Original in einem Verzeichnis des Ordens vermerkt sein, doch da gibt es kein Buch mit diesem Titel, schon gar nicht von Laymann. Ein Drucker hat es verfasst und sich da und dort etwas zusammengesucht. Und um es besser verkaufen zu können, hat er den weithin bekannten Pater Laymann als

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