Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
Vom Netzwerk:
ist!«
    »Charles X. Also nichts sonderlich Altes!« Burr taxierte den Haufen. »Hundertfünfzig?«
    Entrüstet sah ihn der andere an. »Monsieur! Hundertfünfzig?
    Dreihundert! Mindestens!«
    Zweifelndes Kopfschütteln. »Darf ich es mir genauer anschauen?«
    »Selbstverständlich!«
    Burr machte sich wieder über den Stapel her. Urkunden mit Unterschriften der Könige Ludwig XIII. Ludwig XV. Ludwig XVI. das Schriftstück, das freies Geleit zur Flucht nach Edinburgh zusicherte, Personallisten, Befehle, Erlasse… sogar die privaten Schulden waren säuberlich aufgezeichnet.
    Während er die Papiere durchsah, fragte er sich, ob es in Frankreich wirklich jemals eine Revolution gegeben hat oder ob Charles X. und seine Umgebung sie nur nicht bemerkt hatten.
    »Ich hätte da vielleicht doch noch etwas!«
    George Lincoln fuhr leicht zusammen, da er den Buchhändler nicht hatte zurückkommen hören.
    »Im Keller! Es liegt sicher schon ein paar Jahre dort. Aber wer interessiert sich schon dafür! Boguet, Henri Boguet!
    Allerdings ist es nicht vollständig!«
    Burr warf einen nur scheinbar flüchtigen Blick auf den zerfledderten Einband. »Discours des Sorciers« stand darauf.
    Boguet hatte Seltenheitswert, war kaum noch zu bekommen, obwohl er einmal weit verbreitet gewesen war. Seine Nachkommen schämten sich seiner, kauften jedes Buch auf, dessen sie habhaft werden konnten, und steckten es in den Ofen.
    »Zweihundert!«, sagte er unvermittelt und deutete auf den großen Haufen vor sich.
    »Zweihundertachtzig!«
    »Darf ich mal den Boguet haben?« George Lincoln blätterte ihn kurz durch. »Da fehlt ja die Hälfte!«
    »Deswegen habe ich wohl auch nicht mehr daran gedacht!«, antwortete der Buchhändler beinahe entschuldigend, aber dennoch in einem Ton, als hätte er etwas ganz Wertvolles anzubieten. Anscheinend handelte es sich um ein Exemplar der Erstausgabe von 1602.
    »Also gut, ich nehme ihn. Und den Charles.
    Zweihundertfünfzig für den Bourbonenkönig und dreißig für den Hexensenger!«
    Burr streckte seinem Gegenüber die Hand hin. Er hatte ein schlechtes Gewissen, da mit White die Vereinbarung bestand, größere Ausgaben vorher abzusprechen. Andererseits hatte er die Architekturbücher einen vollen Hunderter unter dem Limit erstanden, das White ihm gesetzt hatte, und er konnte einfach nicht anders, er musste den Charles haben.
    Der Händler zögerte, schlug dann aber doch ein.
    »Können Sie das alles bahnlagernd nach Paris schicken? Nur den Boguet nehme ich mit. Als Reiselektüre.«
    »Ah, nach Paris? Von da kommt der Charles. Aus einem kleinen Buchladen, der keinen Platz mehr hatte!«
    »Haben Sie die Adresse? Vielleicht finde ich dort noch etwas!«
    Der Händler verschwand hinter seinem Pult, kam kurz darauf mit einem Zettel zurück. »Hier, Rue de Rivoli. Wie der Laden heißt, weiß ich nicht. Ich habe nur einen Namen, Monsieur Bracony, ich nehme an, der Besitzer!«
    Gleichmäßig, mit monotonem Rattern fraß sich der Zug die eisernen Schienen entlang in die Dämmerung, Paris entgegen.
    Vor Burrs Fenster verabschiedete sich der glutrote Feuerball mit einem spektakulären Schauspiel hinter den Horizont, überschwemmte das Land mit einem leuchtenden Orange, das nach und nach fahler wurde, um schließlich wie ein zitternder Schatten noch kurz über der Landschaft zu verweilen. Mit einem unruhigen Flackern ging im Wagon das elektrische Licht an, es war gerade hell genug, dass man sich orientieren konnte. George Lincoln nahm seine Aktentasche und wechselte zu einem Platz direkt unter der Lampe. In der Nähe der Kathedrale hatte er an einem Kiosk eine Ansichtskarte erstanden, hatte auch vorgehabt, sie noch von Bordeaux aus abzuschicken, aber als es ans Schreiben ging, war ihm nichts eingefallen. Nun holte er sie hervor, legte die Tasche als Unterlage auf die Knie und die Kappe des Waterman-Füllers neben sich auf die Holzbank.
    »Meine liebe Pee…« Weiter kam er nicht. Was sollte er ihr schreiben? Dass er wieder ein paar Bücher erstanden hatte?
    Das wusste sie auch so. Er versuchte in sein Inneres zu horchen, doch von dort kam keine Antwort. Pee war weg, fort.
    Verschwunden.
    Er spürte einen Stich im Herzen, spitz und schmerzhaft.
    »Pee… Pee! Wo bist du?!«
    Er schloss die Augen, sah ihre schlanke Gestalt aber nur wie durch einen Nebel, schemenhaft und unklar. Weit weg.
    Vielleicht kommt sie wieder. Wenn du zu Hause bist!, sagte er sich.
    Entschlossen rückte er die Karte zurecht und schrieb weiter:
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher