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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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der Obrigkeiten ein Zeichen gesetzt und demonstriert werden, wer die Macht hatte? Hatte sein Buch das genaue Gegenteil von dem bewirkt, was er hatte erreichen wollen?
    Der Novize an der Pforte blickte nur kurz auf. »Pater Friedrich, Ihr sollt sofort zum Pater Provinzial kommen!«
    Als Spee in das Gesicht von Goswin Nickel blickte, wusste er sofort, dass etwas Unangenehmes anlag. »Friedrich«, Nickels Stimme klang belegt, die Augenbrauen hoben sich und die Stirn schob sich in Falten. »Friedrich«, sagte er nochmals,
    »nimm Platz, setz dich!«
    Er spielte mit einem Gänsekiel, aber an der Art, wie er seine Finger bewegte, erkannte Spee die kaum beherrschte Anspannung.
    Im Arbeitszimmer des Provinzials war es totenstill. Nicht einmal eine Fliege summte.
    »Friedrich«, fing Nickel nun zum dritten Mal an, »ich habe Nachricht aus Rom!« Sein Brustkorb hob und senkte sich schwer, sein Atem kam stoßweise. »Um es kurz zu machen: Sie wollen dich aus dem Orden haben!«
    Spee brauchte einen Moment, bis er verstand. Noch im Begreifen floh das Blut aus seinem Herzen, jagte wie feurige Lava durch seine Arme und Hände, wandelte sich in ein Stechen wie mit eisigen Nadeln, kroch langsam zurück, presste sich eisig in seine Brust. Die Pupillen weit, starrte sein Blick ins Nirgendwo.
    »Um Gottes willen, Friedrich…«
    Nickel sprang auf, trat vor Spee, redete auf ihn ein, packte ihn schließlich an den Schultern, schüttelte ihn. Wie musste ihn dieser eine Satz getroffen haben! Friedrich, der sich vor nichts fürchtete, der letztes Jahr in Falkenhagen in vorderster Reihe mit dabei war, als die Patres einen Haufen
    marodierender schwedischer Söldner in die Flucht schlugen!
    Nur zögerlich kehrte etwas Farbe in Spees Gesicht zurück.
    »Loswerden… wollen sie mich?«
    »Ja. Und ich soll dich dazu bringen, freiwillig
    auszuscheiden.« Der Provinzial sah Spee grimmig an. »Den Teufel werde ich tun!« Mit auf dem Rücken verschränkten Armen begann er im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Was willst du machen? Sie werden keine Ruhe geben!«, fragte Spee und seine Stimme klang müde, ohne Hoffnung.
    »Ja, du hast Recht. Sie werden keine Ruhe geben. Aber nur so lange, wie du hier in Köln bist. Du kennst das Sprichwort: Aus den Augen – aus dem Sinn. Natürlich ist es in Rom sauer aufgestoßen, dass die zweite Ausgabe wiederum anonym und ohne Druckerlaubnis erschienen ist. Zwar denke ich, dass inzwischen der Großteil der Mitbrüder auf deiner Seite ist, aber Mohr und Horn werden weiterhin alles melden, von dem sie annehmen, dass es dir schaden könnte. Darüber hinaus sind vermutlich auch Beschwerden von außerhalb eingegangen!«
    Mit einem Ruck blieb er vor Spee stehen. »Ich werde versuchen, dich aus dem Schussfeld zu nehmen. Du musst von hier weg!«

    18

    Gleißend stach die weiße Pyramide der Aiguille Verte über den noch morgenschwarzen Wäldern in den Himmel. Die ersten Strahlen der Sonne fingerten sich tastend in die schlafdunkle Nordwand, zeichneten anwachsend scharfe Schattenstriche in den Abbrüchen des gewaltigen
    Hängegletschers. In der felsigen Rippe löste die Wärme die ersten Steinlawinen, die mit lautem Poltern von vielfachem Echo verstärkt und zurückgeworfen von den riesigen Mauern mit dumpfem Aufschlag im Couloir Couturier verschwanden.
    Wie Flammen aus Stein erglühten Grande Rocheuse und Aiguille Jardin, erloschen dann zu felsigem Grau, während sich drüben das Schauspiel an wilden Zacken von Pic sans Nom und Grand Dru fortsetzte. Über den Gipfel des Mont Blanc schob sich zaghaft ein winziges, kleines Wölkchen, das dann einsam verlassen in der weiten Bläue hängen blieb.
    Burr kam aus Italien, wohin er in zwei nicht gerade einfachen Missionen von White geschickt worden war. Im ersten Fall handelte es sich um eine Schenkung, die die Frau eines Professors aus dem Erbteil ihres Vaters der Universität vermacht hatte, was aber von ihrer Verwandtschaft angefochten wurde und worauf der Professor, den andauernden Streitereien mit den Verwandten überdrüssig, nach Florenz gezogen war.
    Bei der zweiten Mission ging um das Grabmal des Gründers der Universität, Ezra Cornell, wo White es gerne gesehen hätte, wenn sich über dessen Gruft noch ein paar gipserne Engel gebeugt hätten. Das hatte der Bildhauer in Rom anfangs energisch abgelehnt, ließ sich dann doch noch von Burr überzeugen. Auf dem Weg von Mailand nach Zürich hatte er zwei Landsleute kennen gelernt, Bradley und Meriwether.
    Spontan hatten sie

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