Die Liebe am Nachmittag
geschlagen, gebeugt und mit hervorquellenden Augen. Sie schleppen ihr kleines Würmchen, das hält sie auf den Beinen. Die Zwei wissen etwas, was ich nicht weiß, und sie haben etwas, was ich nicht habe.
39. Nacht
Ja also, ich bin zu diesem jungen Mann gegangen. Zum Metzgerburschen. Der mich damals im Winter vor dem Theater so gemustert hat, als ich Iboly abholte und den sie dann fortschickte.
Ich kann es ja jetzt sagen, dass mir der Junge auch schon manchmal eingefallen ist, bevor ich zu Tatai ging. Wegen des dünnen Fingerrings von Iboly. Und sonst; ich erinnerte mich nur plötzlich, wie er vor dem Theater so dastand mit Iboly, auf sie einredete, mich dann befremdet ansah, sich umdrehte und davonstürmte. Wo mag er wohl an dem Abend hingegangen sein? Vielleicht traute er sich nicht nach Hause, irrte stundenlang in verlassenen Gassen umher,so wie auch ich früher, wenn ich Kummer hatte. Der Junge fiel mir ein, nur dieser kräftige Bursche, ohne Gesicht, wenn ich beim Rollenstudium an Iboly vorbeisah und an nichts dachte, meine Augen in die Ferne schweiften und mich das Gefühl überkam, ich könnte dem Stein, auf dem ich saß, zu schwer werden. Ich rückte etwas nach hinten oder vor und wechselte mein übergeschlagenes Bein.
Also, dann war es eines Nachmittags so weit, dass ich gegen halb fünf bei dem Metzgerladen, den Iboly erwähnt hatte, vorbeischaute, um die Zeit, dachte ich, würde dort nicht mehr allzu viel los sein.
Zuerst äugte ich vom Gehsteig gegenüber in den Fleischerladen.
Ein netter kleiner Betrieb!
Blanke weiße Fliesen, sogar an der Außenmauer, wie bei den sauberen Milchhallen. Aber auch drinnen alles weiß und blitzsauber. An der Rückwand hängen oben aufgereiht blassbraune Speckseiten; die mit Messing eingefasste Marmortheke ist vollgepackt mit rosa Fleischstücken, dunklerenSchweinsstelzen, Wurstkränzen, blassen Salamistangen und reichlich Aufschnitt: Mortadella, Krakauer, Pariser, alles da. Was für ein glückliches Land! So viel Glanz, eine so üppige Fülle in dieser armen Welt, selbst in einem Fleischerladen, genauso wie in den Buffets und Milchhallen.
Zufällig sind gerade keine Kunden im Geschäft, nur zwei Gehilfen hantieren hinter der Theke; rechts vom Eingang sitzt einer, vermutlich auch ein Gehilfe, denn er ist ebenfalls in Weiß, liest in der grünen Sportzeitung.
Ich grüßte und ging gleich auf den Zeitungsleser zu.
Sind Sie der junge Herr Chef?
Er erhob sich, dieser gesund aussehende, brünette junge Mann mit dem runden Gesicht, und sah mich groß an. So als wäre er verlegen. Ob er mich erkannt hat? Oder vermutete er etwa einen unerwartet auftauchenden Steuerbeamten in mir?
Höflich stellte ich mich vor. Mittlerweile war er auch errötet; etwa so als hätte der Schinken die Farbe der italienischen Salami angenommen. Der junge Mann stammelte seinen Namen, ich verstand ihn nicht. In seiner Verlegenheit drückte er meine Rechte, die ich ihm entgegenstreckte, so fest, als begrüßte mich ein Steinmetz mit kräftigem Handschlag.
Ich möchte gern kurz mit Ihnen reden. Hätten Sie vielleicht so viel Zeit, dass wir uns drüben am Arena-Weg vors Kaffeehaus setzen?
»Bitte, bitteschön.«
Vorher aber will ich mich noch einmal in diesem wirklich wunderschönen kleinen Geschäft umsehen. Wenn man die vielen köstlichen Bissen auch nur anschaut, überfällt einen auf der Stelle der Heißhunger.
»Bitte sehr.« Endlich versuchte er, sein Gesicht zu einem Lächeln zu verziehen; aber noch immer hatte er die Sprache nicht ganz wiedergefunden.
An der Kasse saß ein Ladenfräulein und sortierte kleine Zettel. Ich hatte sie von der Straße aus gar nicht bemerkt. Siewirkte ziemlich jung, war noch gar keine richtige Frau. Der eine Gehilfe räumte gelben und roten Aspik an den Rand der Theke, der andere verpackte Grieben aus einer großen weißen Schüssel in Papiertüten, fürs Abendgeschäft; beide waren noch ganz junge Bürschchen. Wohlgenährte Rundgesichter, Fleischesser.
Bei meiner Rundumschau lobte ich der Reihe nach die dicken Knackwürste, die frischen kleinen Würstel, die gepökelten Zungen, Blut- und Leberwürste, die so prall waren, als würden sie gleich platzen; und dann die feinen Pasteten, den Pressschinken. Alles, was ich hier zu Gesicht bekam. Der junge Chef berichtete, dass sie in der Josefstadt einen eigenen Verarbeitungsbetrieb hätten und ihre gesamte Ware von dort bezögen; er führte mir vor, wie die Waage auf der Theke ohne Gewichte funktionierte;
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