Die Liebe am Nachmittag
um elf. Sie berichtete, wo sie am Abend gewesen, in welchem Salon oder Speiselokal, in welcher Gesellschaft, wen sie gesehen, welches Frauenzimmer einen ach so unmöglichen Hut oder das Modellkleid einer anderen oder sogar ihres imitiert hatte, oder auch, wegen welcher Berühmtheit man seit zwei Tagen dem Ministerpräsidenten die Tür einrannte, weil der Betreffende in eine Unterschlagungsaffäre involviert war und es doch schrecklich sei, nicht wahr, wenn man diesen reizenden Menschen der Öffentlichkeit ausliefern würde. Danach plauderte sie über Neuigkeiten in Sachen Liebschaften, über die in flagranti Ertappten, frische Flirts, sodann folgten Berichte über die Bridgepartien von gestern Nachmittag, über Gewinner, Verlierer, schließlich über Auseinandersetzungen, also Streit unter den Bridgepartnern und die Falle, die man einer gewissen Dame gestellt hat und über die sich ganz Pest amüsiert; weil jene Dame gern etwas mehr zu ihren Gunsten notiert und weil man ihr während des Spiels mit der Begründung,dass sich damit besser rechnen ließe, einen anderen Stift gereicht hat. Das alles war recht erquicklich, doch ich hatte zu arbeiten; acht, neun Tage lang habe ich diese Dauergespräche durchgestanden, dann gestand ich der Dame, dass solche halbstündigen Telefonate zu meinem größten Bedauern, nicht meine Sache seien, ich müsse nämlich arbeiten; denn nachdem ich den Hörer aufgelegt hätte, sei alles, was ich mir für den Vormittag zurechtgelegt habe, verflogen und vergessen; sie könne das gewiss verstehen? Sie verstand es; begriff auch, dass ich sie nicht gegen Mittag ins Seidenkontor in der Wiener Gasse begleiten, mit ihr zur Perlenauffädlerin gehen, auch keinen Spaziergang durch die Váci-Straße machen konnte und dass mir der Sinn ebenso wenig nach einem französischen Vermouth im Gerbeaud oder nach Bier und Brezeln, die sie so gern mag, in den Aposteln stand, ja nicht einmal nach einem kurzen Abenteuer bei einer Spritztour mit ihrem Wagen nach Tahi oder Cinkota.
Ich muss sagen, dass ich auch Angst hatte, mich mit ihr zu zeigen; mich wunderte, dass sie nicht auf die Idee kam, man könnte uns vielleicht bei ihrem Mann verpfeifen. Das solle mich wirklich nicht beunruhigen, was für ein Kind ich doch sei! Das ist es ja gerade, dass ich kein Kind, sondern ein Mann bin; wäre ich ein Kind, könnte niemand Verdacht schöpfen. Sie erklärte mir dazu nur, sie sei ganz und gar unabhängig, und ihr Mann habe nicht das geringste Recht, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen. So viel bekam ich einstweilen zu diesem Thema zu hören. Später sagte sie mir alles.
Die Dame hatte in ihrem Retikül stets ein Touch-Wood bei sich. Dabei handelte es sich um ein Armband mit kleinen aufgefädelten Eierchen, angeblich aus irgendeinem indischen Wurzelholz geschnitzt; britische Mode, ihr erster Liebhaber hatte es ihr aus London mitgebracht. Bei mir streifte die Dame sowohl ihren Ehering wie auch den Solitär vom Finger, auf meine Bitte legte sie auch ihre Armbanduhr ab, siewirkt nämlich in der intimen Zweisamkeit geradezu als Liebestöter, erzeugt eine unpassende Wachsamkeit und Nüchternheit, auch wenn sie noch so dezent an dem um meinen Hals geschlungenen Arm der Dame tickt. Doch das Touch-Wood-Armband ließ ich sie anlegen, es vermittelt mir die Illusion, ich hielte auf den Polynesischen Inseln ein rassiges Mädchen in den Armen.
Als sie zum vierten oder fünften Mal zu mir kam, erzählte sie von ihrer ersten Liebe. Er war ein junger Mann aus gutem Hause und bereitete sich auf eine Diplomatenkarriere vor; die Dame war damals zwanzig, also noch ein Mädchen, als sie sich mit dem Mann auf einen nachhaltigen Flirt einließ. Sie wollte ihn heiraten. Aber seine Eltern hielten den Sohn fest an der Kandare; er war jung, ein hübscher Bursche, sollte einmal ein ansehnlicheres Vermögen erheiraten, als dieses Mädchen versprach. Auch der Junge hatte vor allem seine Karriere im Sinn, die darunter leiden könnte, wenn er sich schon so früh an ein Mädchen band. Und zudem war ihr Vater von der Idee nicht angetan, dass die Tochter vielleicht einmal in der Fremde leben würde, auch war ihm der Gedanke zuwider, dass sein Geld an jemanden ging, der nicht wenigstens genauso viel besaß wie er. Anderthalb Jahre lang korrespondierten sie, spielten Tennis, ritten, tanzten, hörten gemeinsam Grammofonmusik und küssten sich, wenn der junge Mann zu Hause war, aber dann ging er endgültig in den Auslandsdienst, und der Traum fand ein
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