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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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Theaterluft infizierten und von Grammofonplatten diktierten Gefühl für mich, das eigentlich eher eine Stimmung ist, wird sie schon fertig; und selbst wenn ich es für Liebe halten würde, könnte diese auf ihrem Herzen allenfalls so viel sein wie eine winzige Blase, die sich auf der Fingerspitze bildet, wenn man an eine heiße Glühbirne fasst;bis ich sie wahrnehme, ist der Schmerz schon wieder vergangen, und am dritten Tag wird sie löchrig, und ich kann die weißen Hautreste wegzupfen. In manchen Augenblicken habe ich auch Angst, dass sich Iboly im erwachsenen Sinn des Wortes in mich verliebt; fürchte, sie dann am Hals zu haben. Und wenn ihre Zeit dann abgelaufen ist, könnte ich sie nicht mehr so leicht abschütteln, nicht mehr so schäbig und gemein zu ihr sein, und was soll ich dann mit ihr? Außerdem habe ich das Gefühl, dass mich diese Zuneigung demütigt; so alt bin ich noch nicht, dass ich nach jedem Happen schnappe, nur weil er jung, intakt und gesund ist.
    Während der Proben bin ich ein klein wenig untreu gewesen, nicht der 5Fleurs und nicht der kleinen Iboly, sondern meinem eigenen Herzen. Diese kühle Karola, ich glaube, ich habe sie erwähnt, hat eine Rolle in dem Stück bekommen. Sie war der Meinung, dass sie ihr Glück mir verdankt und fing an, sich mir dankbar zu erweisen; ich sagte ihr, ich hätte nicht das geringste Verdienst an dieser kleinen Nebenrolle. Sie aber meinte, dass ich meinen Einsatz für sie aus purem Großmut leugnete und wollte sich partout revanchieren. Einmal zu Mittag, als ich in der letzten Reihe die Probe verfolgte, setzte sie sich im abgedunkelten Zuschauerraum zu mir und schmiegte sich fest an mich. Diese kühle Karola ist dumm wie ein Golfschläger, hat einen zarten Teint, schöne lange Beine, doch sie besitzt noch etwas, was mich damals zufällig eine Minute lang gereizt hat: der blasse Schatten von Lippenrot auf ihren Zähnen; man stellt sonst eher bei reiferen Frauen fest, dass ihre Zähne ein wenig vom Rouge verfärbt sind. Bei der kühlen Karola aber hat dieser rosa Schimmer auf ihrer Zahnreihe den Eindruck erweckt, als wäre ihr Mund von jemand blutig geküsst worden oder als hätte sie gerade eine Blutorange verspeist. An ihrem Haar störte mich diese verlogene Blondheit sehr; doch sie sagte, ursprünglich wäre ihr Haar aschblond, aber der Friseur habe sie zu dieser Jean-Harlow-Farbe überredet;als ich übrigens ihren Schopf berührte, fühlte sich ihr nun eisblondes Haar ganz weich an, von dieser Frostigkeit, die derart blondierte Haare oft an sich haben, spürte ich nichts.
    Also am folgenden Nachmittag hatte ich das Vergnügen mit dieser kühlen Karola.
    Nur an diesem einen Nachmittag, ein einziges Mal in meinem Leben.
    Dann am nächsten Tag, als ich ins Theater kam, sprang sie mich schon am kleinen Seiteneingang mit einem »Hallo, Schätzchen!« an und schmatzte mir ihren Mund auf die Nase, zum Glück hat es niemand gesehen.
    Ich habe sie höflich gebeten, mich nicht zu duzen und so diskret zu sein, wie es eben einem Herrn zukommt.
    »Ach, wieso denn, mir ist das nicht peinlich!«
    In der Pause, als man für den zweiten Akt umbaute und auch ich hinaus in den Aufenthaltsraum ging, da pflanzte sich die kühle Karola erneut vor mir auf:
    »Herzchen, bitte, eine Zigarette!« – und schon hatte ich wieder ihre Arme um den Hals.
    Dann demonstrativ auf dem dunklen Gang:
    »Hallo Michi? Mihály, sind Sie da?«
    Es dauerte Tage, bis es mir gelang, die despektierlich gewordene Karola loszuwerden.
    Und Iboly wartet,wartet und wartet,dass ich sie am Theater abhole.
    Nach etwa zehn Tagen bekomme ich einen Brief von ihr, sie hat ihn ans Theater adressiert.
    Moment, ich suche diesen ersten Brief heraus, habe ihn aufgehoben.
    Das ist er: Als ich damals den Brief aufriss, kam mir gleich das Futter des Umschlags, diese veilchenblaue und rote Tapete entgegen. Das Briefpapier hat Iboly in der Trafik erstanden.
    Zwei Seiten lang war dieser Brief. Und in etwas krummen Zeilen geschrieben:
    »Lieber Mihály! Ich störe Sie nur, weil doch die drei Bücher noch hier bei mir sind, die ich von Ihnen bekommen habe, und Sie ja damals sagten, dass ich sie zurückgeben muss. Wenn es Ihnen Ihre Zeit erlaubt, lassen Sie mich bitteschön wissen, wohin ich die Bücher bringen soll, ich weiß nicht einmal ganz genau, wo Sie wohnen, sonst könnte ich sie nämlich beim Hausmeister abgeben. Ich wollte schon telefonieren, aber ich habe mir überlegt, dass ich Ihnen nicht lästig sein möchte, ganz

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