Die Liebe am Nachmittag
seinen Namen und die Adresse, er soll zwei Karten zum Nettopreis, also ohne meinen Honoraranteil bekommen. Beim Aussteigen beugt er sich vor, salutiert und ruft mir nach: meine untertänigste Hochachtung!
Hausmeister, Kellner, Briefträger und Friseur, der Laufbursche in der Redaktion, die Stenotypistinnen, die Damen und Herren vom Verlag,der Kaufmannsgehilfe,der mich im Laden bedient, und auch die Frau seines Chefs, sie alle hätten gern Freikarten. Den Arzt, der meine Mutter behandelt, darf ich auf keinen Fall vergessen, ebenso wenig die Advokaten, die mich im Würgegriff haben. Auch meine Schwester,mein Bruder werden schon von guten Bekannten verfolgt, die Freikarten besorgt haben möchten.
Die Hauptdarstellerin kommt eine Stunde zu spät zur Probe. Ein Schauspieler meldet sich krank; hat die Nacht zuvor gelumpt. Noch keiner kann seinen Text. Man muss die eine oder andere junge Frau, diesen oder jenen jungen Mann zur Seite nehmen, sie mit Zigaretten und Pralinen ködern, vier, fünf Tage hintereinander brav flehen, diesen Satz, meineTeure, lieber Freund, doch so oder so zu sprechen, und man darf nicht gleich zornig werden; wenn sie den Mund aufmachen, drehen sie sich beim Sprechen nach außen statt nach innen; bei Kinderrollen reicht es, etwas einmal täglich zu sagen, weil sie es jeden Tag wieder vergessen haben.
Der Regisseur ruft einer Elevin, der kein klar vernehmlicher Satz zu entlocken ist, eine Grobheit zu. Das arme Ding lässt den Kopf hängen und rennt dann von der Bühne,draußen beginnt sie zu heulen; der Regisseur ruft nach ihr, die anderen stehen peinlich stumm in der Szene,auch ich muss schweigen, mein Regisseur schnauzt mich an, wenn ich mich einmische.
Nein, Stückeschreiber zu sein ist kein Zuckerschlecken.
In seinen Träumen möchte man eine ganze Welt glücklich machen; bitte, jede einzelne der vier Garderobieren spricht mich an, ich solle meinen Wintermantel, wenn ich am Abend ins Theater komme, bei ihr hineingeben. Ich muss also vier Mäntel übereinander anziehen, um jede der vier Damen mit den 40 Hellern, die ich zu geben pflege, glücklich zu machen.
Iboly, ja, ihr ist es untersagt, bei mir anzurufen. Seit die Proben laufen, habe ich keine Zeit für Iboly. Am Vormittag Theater, am Nachmittag Arbeit, auch in der Nacht schreiben, der dritte Akt will und will nicht fertig werden; daneben sind am ersten Akt noch kleinere Korrekturen vorzunehmen und auch am zweiten, hier kürzen, da etwas streitbarer formulieren, die Aktschlüsse sollen markiger sein, denn man fürchtet, der Applaus könnte sonst nicht so spontan losbrechen, wenn der Vorhang fällt. In beiden Akten muss ich Sätze streichen, für die ich meine kühle Handfläche minutenlang auf die Stirn gedrückt habe und über die ich mich dann so freute wie ein ceylonesischer Perlenfischer, wenn er aus dem Wasser auftaucht, mit der Muschel in der Hand.
Man darf das Tempo nicht herausnehmen.
Ich gehorche. Will ja den Erfolg. Geld.
Iboly habe ich versprochen, wenn sie an einem der nächsten Abende statiert, danach am Hinterausgang auf sie zu warten.
Ich habe sie seit zehn Tagen nicht mehr gesehen.
Am elften Tag ist sie in der Schule durchgebrannt und zum Theater gekommen; wartete auf dem Korridor,bis ich herauskam.
In der Dunkelheit habe ich sie dort geküsst und sie dann davongejagt. Wir können nächste Woche zusammen sein, sie soll sich gedulden. Bevor sie abzog, sah sie an meinem Mantel hinunter, zog ihren Finger an den Knöpfen entlang und meinte:
»Wahrscheinlich haben Sie sich hier beim Theater in eine andere verguckt!«
Gerade heute ist mir zwischen Hektik und Müdigkeit Iboly in den Sinn gekommen, ich dachte, ich sollte vielleicht meine diesbezüglichen Aktivitäten überhaupt einstellen. Habe nicht das Empfinden, dass sie mir fehlt. Sollte es tatsächlich ein großer Erfolg werden, bekomme ich vielleicht gleich einen schönen Vorschuss aus Amerika und kann irgendwohin verreisen, um diese unmenschliche Erschöpfung loszuwerden; ich bin schon so lange nicht mehr verreist. Warum sollte ich das mit Iboly weitermachen; ich bin nicht so begierig, dass ich diesen Happen oder Schluck, der sich Iboly nennt, nicht leichten Herzens fahren lassen könnte. Auch sie wird die Sache bald verwunden und mich vergessen haben, ein so umtriebiges Mädchen, heute hier, morgen dort, macht schnell Bekanntschaften und bleibt dann ebenso schnell einmal bei jemandem einhängen. Mit der kleinen Liebesleidenschaft, die sie empfindet, dem durch
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