Die Liebe am Nachmittag
aber ich werde es genießen, Iboly wiederzusehen, mit der Hand über ihre aufgeheizteBluse am Rücken zu streichen, wieder dort, wo die Bubenfrisur endet, ihren Hals zu spüren, mit den Fingerspitzen auf den weichen Härchen und der unrasierten glatten Haut auf- und abzugleiten. Seit ich zum letzten Mal mit Iboly Abend essen war, habe ich nicht mehr aus vollem Hals gelacht, keinen Zentimeter. Also es geht nur darum, dass ich noch einmal, sagen wir ein-, zweimal, mit ihr zusammen sein werde; auch im Kino war ich schon mindestens einen Monat nicht mehr. Und danach verreise ich sowieso irgendwohin; wie es aussieht,hat das Stück einen ordentlichen Erfolg, ich werde schon versuchen, beim Theater oder beim Agenten noch etwas Geld loszueisen und kann dann für zwei Wochen in die Berge fahren, richtig ausschlafen und die ganze Schreiberei für eine Weile vergessen.
Natürlich schaltete Iboly nach zwei Minuten vom Theater um ins Leben:
»Ich wäre neugierig,ob Sie meinen Brief bekommen haben?«
Natürlich, Kleines. Er hat mir auch gefallen. Und es ist sehr klug von dir, dass du mit mir Schluss gemacht hast.
»Iich, iiich habe Schluss gemacht, ach du lieber Gott, hast du das gehört? Da muss ich aber lachen, hahaha. Aus lauter Stolz habe ich geschrieben, was ich geschrieben habe, was soll ich groß erklären, Sie lachen mich doch aus. Wie habe ich gewartet, dass Sie sich wenigstens mit einem Wort melden! Jeden Morgen und jeden Nachmittag in der Schule habe ich mich auf der Treppe fast überschlagen, so schnell bin ich gerannt, um nachzusehen, ob ich vielleicht einen Brief bekommen habe. Und nach der Vorstellung bin ich immer wenigstens eine Viertelstunde hinter dem Theater herumgeirrt in der Hoffnung, dass Sie doch einmal kommen, die Füße sind mir fast abgefroren und die Nase,der Magen hat mir vor Hunger wie verrückt geknurrt. Also ehrlich, das hat doch kein Mann auf der ganzen Welt verdient.«
Am nächsten Abend habe ich mich mit Iboly getroffen.
20. Nacht
Ich habe Iboly abgeholt.
Sie stand da, vor dem Theater. Aber nicht allein. Ein junger Mann war bei ihr. Iboly trat immer wieder einen halben Schritt von dem Jungen weg, riss den Kopf hoch, und ich sah auch, dass sie mit der Hand eine abwehrende Bewegung machte; oder hatte vielleicht der Junge einen gelungenen Joke gerissen, der sie amüsierte und den sie auf diese Weise abwehrte: Nein,hören Sie auf,mir platzt ja gleich das Zwerchfell! Dann sah ich, dass sie dem Jungen die Hand reichte, was der aber ignorierte, er trat wieder näher zu ihr hin und redete auf sie ein. Da warf Iboly den Kopf zurück, sah mich und schob ihn weg, streckte ihm aber noch einmal schnell die Hand hin. Der Junge sah sich um. Ich verlangsamte meine Schritte. Er zog sich umständlich den Handschuh aus, und ich hörte, wie sie ihn laut und energisch anwies:
»Lassen Sie den Handschuh, gehen Sie jetzt, papaa!«
Der junge Mann lüftete den Hut, einen Gangsterhut mit schmaler Krempe, schielte in meine Richtung, weil Iboly schon losrannte und ihren Arm hochriss; der Junge drehte sich um und eilte davon.
Wer ist dieser Bursche?
»Nichts Wichtiges.«
Schauspieler?
»Keiner vom Theater. Wir haben uns nur zufällig hier getroffen.«
Was wollte er?
»Nichts. Ich habe nichts mit ihm zu tun. Reden wir nicht über ihn.«
Ist er zudringlich geworden?
»Ach wo. Er wollte mich heimbegleiten, dachte, ich wäre frei.«
Und deshalb musstest du so abweisend zu ihm sein?
»Ach was, lassen Sie doch den Jungen! Ich habe Sie schon so lange nicht gesehen! Darf ich mich einhängen?«
Also bohrte ich nicht mehr weiter. Um es ja nicht zu vergessen, griff ich mir ihr Retikül und versenkte zwei Pengő darin, Telefon, Veilchenstrauß etc. Bin halt ein Kavalier, muss man doch sagen, nicht wahr?
Wir gingen ins Restaurant am Westbahnhof.
Iboly sagte da immer: Wir fahren gen Westen. Sie liebt diesen Bahnhof, ist erst ein einziges Mal mit dem Zug hier abgefahren, damals, als die Mädchen der Bürgerschule mit der Vorortbahn einen Ausflug nach Szentendre machten. Dieser Schulausflug sei ihre schönste Erinnerung, sagt sie.
Wieder fielen mir an Iboly allerlei Fehler auf. Als ich ihr den Mantel abnahm,erschrak ich über das schreiende Giftgrün auf der Innenseite des Kleidungsstücks.
Was für ein Spinatgrün? Ist ja grässlich.
Es war ein Rest Kunstseide, sie hatte es von der Schwester. Ibolys Mantelfutter war letztes Jahr gänzlich verschlissen, und Bijou hat ihr dieses für den Winter
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