Die Liebe am Nachmittag
inzwischen nahegelegt, endlich einmal abzurechnen. Und was wäre erst gewesen, wenn die Franklin AG mich bei der Polizei angezeigt hätte, weil ich den Roman, für den sie mir einen ansehnlichen Vorschuss bezahlt hatte, an einen anderen Verlag gab, da ich das Geld gar so dringend benötigte. Jedes Mal, wenn ich etwas über Täuscher und Betrüger lese, muss ich kurz in mich gehen: Wäre man in unserer Branche so streng wie in der zivilen Welt, hätte man mich durchaus auch schon hinter Gitter bringen können. Und es ist, nicht wahr, ebenfalls nicht ganz korrekt, dass ich von den Blumenkörben und Bouquets, die man mir als Autor schickte, die Visitenkarten entferne, mein eigenes Kärtchen hineinstecke,um sie dann den Künstlerinnen hineinreichen zu lassen. Diese niederträchtige Manipulation habe ich mir erst in diesem Jahr ausgedacht; die Blumensträuße für die Schauspielerinnen meiner Premiere vom letzten Jahr sind bis heute nicht bezahlt. Nun also habe ich mich, die gestohlenen achtzig Pengő in der Tasche, mit scheinheiliger Visage vor dem hochgeschätzten Publikum verbeugt, einen Blick mit der 5Fleurs gewechselt,die in der Loge saß und nicht die blasseste Ahnung von meiner Verkommenheit hat, und ich war so bemüht, zu meiner Mama, meiner Schwester und dem Bruder hinzusehen, die alle im Parkett in der Mitte saßen: Für euch grinse ich heute Abend und mache meine Kratzfüße, für euch erniedrige ich mich, schwindle und lüge, entbindet mich, gebt mir als Ersatz für meine verlorene Ehre eine neue. Die arme Mama hat sich ihre schäbige Goldbrosche angesteckt, die wahrscheinlich gar nicht so fahl wäre, hätte sie nicht so oft mit der Pester Pfandleihe Bekanntschaft machen müssen. Nach der Vorstellung erwarteten sie mich am Personaleingang; mir wären beinahe die Augen übergelaufen, als ich am Hals der Mama diese Brosche ertastete, um zu prüfen, ob sie auch richtig gesichert war und nicht verloren gehen könnte. Das Schmuckstück besteht aus drei Blättern von grünem Email, die sich einem Goldäpfelchen zuneigen – ein Erbstück von der Großmama. Meine Mutter strahlte:
»Du wirst Glück haben damit, Papachen, ganz gewiss, auf dem Weg ins Theater sind wir einem Milchwagen begegnet, sieben Kannen habe ich auf dem Plateauwagen gezählt, ganz bestimmt, mein Bester, jetzt wirst du Glück haben.«
Die Augen meiner armen Mutter sind verweint, als sie sagt:
»So gut hab ich mich unterhalten, Papachen, ich weiß gar nicht, wann ich schon einmal so viel lachen musste.«
Ich kann nicht mit den Meinen gehen, bin zum Abendessen bei den Mitwirkenden. Sie sind meine Gäste. Die Dame wird ins ›New York‹ gehen, dort endet nämlich jeder Theaterabendfür sie, von da wechseln sie ins ›Grill‹; zur Nachkur zieht die Gesellschaft dann in ein Nachtlokal. Sie sind zu fünft; bei ihnen sind der Kavalieroberst, ein Wiener und bravouröser Reiter, und seine Frau, dazu die Geschiedene, die mit der Dame den Sommer über in Italien geweilt hat. Die Gesellschaft hat in einer Loge gesessen. Zum Glück werde ich im ›Grill‹ bei dem Lärm nicht viel über die Aufführung schwatzen müssen; wenn sie sich dann immer wieder zum Tanzen aufs Parkett begeben, kann ich verschnaufen, und um drei kann ich mich empfehlen.
Iboly. Dich vergesse ich immer.
Zur Premiere habe ich auch von Iboly Blumen bekommen. Sie hat sie am Nachmittag persönlich beim Portier abgegeben. Einen Veilchenstrauß. Dazu in einem offenen Couvert ihre Visitenkarte. Dazugeschrieben hat sie nichts. Dieses eine Blumengeschenk habe ich mit nach Hause genommen, es hat, in einem Glas Wasser schwimmend, drei Tage gehalten.
Am dritten Tag nach der Premiere telefonierte mich Iboly an.
»Ist es nicht schlimm, dass ich Sie störe? Ich wollte nur gratulieren, das wird man mir doch vielleicht noch erlauben. Ihr Stück ist himmlisch, in der Generalprobe habe ich geheult wie ein Schlosshund, ach, es war so herrlich, Ehrenwort!«
Und wunderbar die Regie,alle Darsteller waren große Klasse, sie kenne die Hauptdarstellerin und ihren Partner gar nicht, aber sie wird einmal abends, wenn sie nicht statiert, hinkommen, beim Bühneneingang auf sie warten, vor ihnen in die Knie gehen und ihnen die Füße küssen.
Nun ja, jetzt war sie da. Nicht wahr, ich hatte mir eisern vorgenommen, ihr den Laufpass zu geben. Ihre Stimme tut mir so gut in meiner Erschöpfung, ich genieße sie wie das Gezwitscher eines Kanarienvogels. Etwas erwärmt sich in mir; es ist nicht unbedingt das Herz;
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