Die Liebe am Nachmittag
erinnert an ein Küken, das die verschütteten Körner hastig vom Boden pickt, an das blonde Ferkelchen, das so unbekümmert schlabbert. Ich genieße an ihr die blühende Gesundheit, die Jugend. Sie isst nicht viel, nein; das würde mich auch stören.Vor drei Jahren bin ich an ein geschiedenes Frauenzimmer geraten, begann mich nachhaltiger für sie zu interessieren, ihr ein wenig den Hof zu machen. Sie war hübsch, ein gebildetes, interessantes Geschöpf. Tadellos schlank. Aber was diese Person essen konnte, haarsträubend! Wenn wir uns in ein Ausflugslokal verirrten, verdrückte sie zum Tee vier, fünf, sechs Sandwiches, von all den Mignons und Pralinés gar nicht zu reden,die hat sie geradezu inhaliert. Mindestens zwölf Tage lang kämpfte meine Neigung für diese Frau mit meiner Abneigung gegen ihre Gefräßigkeit; auch pekuniär hätte ich das nicht durchgehalten, fünf Pengő kostete mich jeder Fünfuhrtee mindestens. Ich habe die Teure verlassen, nicht einmal einen Kuss forderte ich für die Unmengen Mignons und Sandwiches.
Außer für prickelndes Sodawasser schwärmt Iboly für schwarzen Kaffee; auch der zählt für sie zu den Luxusgütern und ist ihr eine Quelle der Freude. Natürlich findet sie nur schwer in den Schlaf, wenn sie einen Mokka getrunken hat, aber das nimmt sie gern auf sich, sagt sie, umso länger kann sie dann lesen. Ich habe überlegt, warum dieses Mädchen, die Iboly, so verrückt auf Sodawasser ist und auf schwarzen Kaffee schwört. Das hat nicht nur mit dem Geschmack und der Fantasie der Armut zu tun; andere arme Mädchen haben für den Schwarzen gar nichts übrig, schwärmen vielmehr für Bier und Eis. Und wieso begeistert sich Iboly mehr für Clark Gable als für Chevalier oder zieht das Kalbfleisch dem Schweinernen vor, ist verrückt auf Karottengemüse, kann aber Spinat nicht ausstehen? Ich zum Beispiel mag seit meiner Kindheit keine Karotten, obwohl ich der Erstgeborene bin, also keine älteren Geschwister hatte, von denen ich mir die Karotten-Aversion hätte abgucken können. Woher kommt es, dass sich Iboly auf der Straße mehr über den Scotchterrier als über einen Puli freut und dass sie von der Salzbrezel, die wir uns im Kino kaufen, immer die Mitte, diese knusprigen dünnenSpeichen, an mich weiterreicht, also nur die dicken, weichen Stücke mag? Dabei hat sie Zähne wie Eisen. Der eine Herr lässt sich dieses Lied, der zweite ein anderes vom Zigeuner aufspielen, eine Dame hat diese Lieblingsblume, die andere bevorzugt jene; und mit dem Parfum ist es nicht anders, es hängt weder von der Haarfarbe noch von der Herkunft oder vom gesellschaftlichen Rang einer Frau ab, ja nicht einmal von ihrem Charakter, für welche Duftnote sie empfänglich ist. Worauf lässt sich zum Beispiel zurückführen,dass ein Mann ausgerechnet jenen so oder so gemusterten grauen Stoff auswählt, der nächste einen ganz anderen, und entsprechend welchem Wunsch oder Verlangen sucht er sich die unterhalb des Kragens prangende Krawatte aus? Warum raucht einer Memphis, der andere aber Mirjam? Was hat einen Menschen bewogen, diesem Mundstück oder dem mit Korkfilter den Vorzug zu geben? Wie kommt es, dass dieser nur mit Zigarettenspitze raucht, jener aber so etwas nie in den Mund nehmen würde? Welche Zelle der dritten Hirnrinde ist es oder wo sitzt der Nervenknoten in der menschlichen Muskulatur, der das Geheimnis solcher persönlichen Vorlieben in sich birgt; welcher unserer Nervenstränge erbebt, welche unserer Innereien lösen irgendein Kribbeln aus, das uns entscheiden lässt, ob wir zum Rindfleisch Meerrettich oder Tomatensauce essen, und was bewirkt, dass wir schon nach einem einzigen Laut, den wir zum ersten Mal aus dem Mund eines Fremden hören, Vertrauen oder Angst empfinden?
Ich habe in meinem Leben Erfahrungen gemacht, die mir weder ein Buch noch ein kluger Mensch zu erklären vermochte. Ich stehe in einer Hotelhalle, muss dort warten, betrachte ein Werbeplakat für die Isola Bella. Richte all meine Aufmerksamkeit auf dieses Bild. Plötzlich befällt mich ein leichtes Gefühl der Unruhe, ich drehe den Kopf nach rechts und nach links: ja, ich habe es gespürt, hinter meinem Rücken beobachtet mich jemand. Ein anderes Mal gehe ich durch dieDeák-Ferenc-Gasse, denke an meine Schulden, denn daran denke ich, wo immer ich gehe, plötzlich drängelt sich mir der Baumeister Danni Dutzend in den Sinn, ich habe im Leben noch keine drei Wörter mit ihm gewechselt und in letzter Zeit auch nicht zufällig etwas
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