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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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über ihn gelesen, ihn zudem seit mindestens fünf Jahren nicht mehr gesehen, ein Haus will ich mir von ihm auch nicht bauen lassen. Ich fange gerade an, mich zu wundern, warum mir der Mann in den Sinn gekommen ist, da biegt dieser Baumeister Danni Dutzend aus der Wiener Gasse ein, kommt mir entgegen, strahlt mich an, lüftet den Hut und sagt: Habe die Ehre. Oder ein anderes Mal, ich sitze im Autobus, mir gegenüber kommen zwei Fahrgäste ins Gespräch. Der eine sagt: Wie spät kann es sein? Beide greifen nach ihrer Taschenuhr. Im selben Moment höre, halluziniere ich, dass der andere antworten wird: fünf nach halb zwei.
    Und tatsächlich sagt der Mann, der auch als Erster seine Uhr herausgenestelt hat: fünf nach halb zwei. Dazu muss ich sagen, dass mein Zeitgefühl sehr schwach ausgeprägt ist und ich zuvor gar nicht daran gedacht hatte, wie spät es wohl sein könnte. Ich bin kein Sonderfall, jeder andere kann ebensolche Phänomene erleben. Nicht wahr, der Mensch, der lebendige Organismus, hat Emanationen; dieser Herr, Danni Dutzend, strahlt in einem gewissen Umkreis etwas aus; aber wie, womit empfange, registriere ich das, wenn ich ihn doch mit meinen Augen gar nicht wahrnehme? Und wo, mit welcher Faser bekomme ich die Worte des Mannes zu fassen, der sich gerade erst anschickt zu sagen: fünf nach halb zwei? Wo, wo in meinem Körper steckt eine Batterie,welche Laute erfasst,die noch gar nicht gesprochen, die noch Gedanken sind? Wieso merke ich, dass mich jemand von hinten beobachtet, wo ich doch weder am Rücken noch unter meinen Haaren am Hinterkopf Augen habe? Was? Es ist, als gäbe es bei allem Anderssein, allen Unterschieden, aller Fremdheit, beziehungsweise trotzalledem, einen Zusammenhang, etwas Gemeinsames in uns, in allen Lebewesen, so etwas wie die Luft, die uns allen gemeinsam ist, in der wir leben, die wir alle atmen; als wären wir ein Organismus, dieselbe Ahnung, der gleiche große gemeinsame Körper, aber in Milliarden winzige Teile zerschnitten, und in dem Ganzen eine gemeinsame Seele, wie perlendes Sodawasser, das in Milliarden Flaschen aufgeteilt ist. Und wird sich diese geheimnisvolle Ahnung irgendwann einmal realisieren? Wird sie zur Gewissheit, werden wir jemals mehr erspüren und auch mehr einer vom anderen auf uns nehmen, wird diese Identität so weit gehen, dass ich das Zahnweh dessen, der neben mir steht, genauso empfinde wie er selbst, und werde ich im Vorhinein in meinem Bewusstsein und an meinen Nerven das Leid erfahren, das derjenige zu spüren bekommt, den ich beleidigen werde?
    Das alles gehört nicht hierher, aber ich weiß auch nicht, wohin sonst.

21.   Nacht
    Ich habe kein Geld. Und wieviel Geld ich nicht habe! Bin wirklich ein Rothschild der Mittellosigkeit.
    Das Theater kann mir nichts zahlen, es muss meine Tantiemen den Advokaten überlassen. Denn es sind noch weitere sechs, sieben Honorarpfändungen eingegangen. Natürlich ist jede einzelne meiner Bagatellschulden mit der Zeit aufs Doppelte und Dreifache angewachsen. Auch die Theateragentur kann mir kein Geld geben, weil ich bei ihr ebenfalls Schulden habe. Das Stück konnte bislang nicht im Ausland untergebracht werden. In der Agentur glaubt man, es würde schwierig, weil der Hauptdarsteller am Ende des Stückesstirbt, noch dazu an einem Herzinfarkt. Das wird heutzutage überhaupt nicht geschätzt. Es wäre wirklich schade, dass ich kein Happyend geschrieben hätte. Wie wahr! Auch diesmal konnte ich das Tippfräulein noch nicht bezahlen. Und so werde ich mir weiterhin den täglichen Artikel abringen und diese dämliche Glosse schreiben, sie muss eine Handlung haben und sollte eher heiter sein, so wünscht sie sich das Blatt. Ich schäme mich schon, alle Tage meinen Namen an irgendein Käseblatt zu vergeuden, es ist wirklich nicht feierlich, zumal ich damit meine Situation so billig der Öffentlichkeit preisgebe. Weiß Gott, wie lange ich das mit meinem müden Kopf und dieser Lustlosigkeit noch schaffe. Auch das Schreiben von Reklametexten muss ich mir wieder antun; also trotte ich erneut in die Innenstadt zu jenem eleganten Herrenausstatter, der fürs Weihnachtsgeschäft Texte für einen Prospekt von mir haben wollte; auf dreißig Seiten wünscht er sich »elegante und poetische Zeilen« zu den Abbildungen, die seine Zylinder, Fräcke, Krawatten, Pyjamas, Morgenmäntel, Hausanzüge, Schals, Hausschuhe und Taschentücher anpreisen sollen. Pariser und Londoner Modehäuser geben dergleiche Hochglanzalben heraus. Und der

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