Die Liebe am Nachmittag
ambitionierte Herr Chef hat sich entschlossen, zu Ostern ebenfalls ein solches Reklameheft an die verehrte Kundschaft zu bringen, darin soll ich dann seine Sommerkollektion rühmen. Wir haben uns auf einhundertfünfzig Pengő, einen Hut, drei Hemden und drei Krawatten geeinigt. Nach verzweifeltem Hin und Her hat er mir einhundert Pengő im Voraus bezahlt. Zum Glück muss ich meinen Namen nicht in das Heft setzen, auch das hatte der junge Chef einmal anklingen lassen, er wäre sogar bereit gewesen, etwas mehr zu zahlen, wenn ich meinen geschätzten Namen zur Verfügung gestellt hätte.
Ich werde meine Dienste auch wieder dem Kohlekonzern zur Verfügung stellen, der in jeder Trambahn und sogar auf manchem Theatervorhang die Augen attackiert; wenn ich inGedanken kummervoll das Haupt senke, stolpere ich auf dem Gehsteig über seine Briketts, und richte ich abends den Blick gen Himmel,um vom Firmament die Sterne zu schlürfen, bekomme ich stattdessen von dort das mit diesen roten, grünen und lila Neonröhren gelobte Bier zu schlucken und dazu die angepriesenen Briketts zum Hinterherschlingen. Ich wollte gerade gegen diese unverschämten Neonröhren anschreiben, weil sie den Menschen mit ihren Lichtreklamen ja schon den Himmel streitig machen, da wandte sich in diesem Herbst der Kohlekonzern mit der Frage an mich, ob ich gegen Honorar geruhen würde, nette kleine Brikettverse zu verfassen, die dann in Zeitungen und auf Reklameplakaten abgedruckt werden könnten. Und, Schande über mich, gegen Honorar geruhte ich. Und ich geruhte auch letztes Jahr in Weihnachtsnummern statt über das Christkind Gedichte über gewisse Seifen zu schreiben. Ja, in diesen unmanierlichen Zeiten verfasste ich auf Bestellung der Hutfabrik auch eine Proklamation für das Hütetragen im Sommer; schrieb Badeprospekte, aber auch anderen Autoren witzige Sprüche für ihre Lustspiele oder Szenen für Operetten; all das ist als Pönitenz wahrhaft genial, fehlt aber in der Divina Comedia. Allerdings hatte die Armut zu Dantes Zeiten auch noch nicht so stark um sich gegriffen unter den Menschen. Armut ist die kapitalste Sünde auf Erden, ihretwegen hat man die größte Schande zu ertragen und bürdet dem Menschen das meiste Leid auf. Ich habe keinen Menschen auf der Welt, dem ich meine Sorgen klagen könnte; vor der Mama mime ich stets den Vergnügten, überrasche sie hin und wieder mit kleinen Präsenten, mit einem Tokajer, Delikatessen, irgendwelchen Nippes aus Glas oder Porzellan, so gelingt es mir leichter, sie glauben zu machen, dass ich nicht in Geldschwierigkeiten bin. Auch vor der Dame stöhne ich niemals; eher ist sie es, die sich über die Armut beklagt, über die Armut anderer; einige ehemalige Stiftsfräulein, Freundinnen aus ihrer Mädchenzeit, betteln sie anum Protektion, um Geld, Schuhe, Kleider, Wäsche; ihre Familien oder Männer sind schuldlos gestrandet, sie quälen sie seit Jahren, und sie wird sie nicht mehr los.
»Man sollte nichts geben«, sagt die 5Fleurs, »man erfährt nichts als Undankbarkeit.«
Dieses »Man sollte nichts geben« habe ich schon oft gehört im Leben.
Ich rate der 5Fleurs dann nur, dankbar zu sein für die Undankbarkeit, denn sie ist leichter zu ertragen als Dankbarkeit.
Und es stimmt tatsächlich, denn man stelle sich vor, alle mitleidheischenden bettelnden Invaliden,die jemand mit zwei Hellern getröstet hat, würden dem Spender kilometerweit hinterherkriechen, um sich zu bedanken, ihn sogar von Zeit zu Zeit in seiner Wohnung aufsuchen, um sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen und nachzufragen,ob sie ihm nicht bei irgendwas behilflich sein könnten, dem Wohltäter zum Namenstag, zu Weihnachten und zu Ostern eine Glückwunschkarte schicken, eventuell sogar einen mit Konfekt gefüllten Osterhasen. Für solche Aufmerksamkeit würde es sich wiederum ziemen, Dank zu sagen, die feierlichen Glückwünsche auf einer Ansichts- oder Visitenkarte zurückzugeben. Gott behüte uns vor der Dankbarkeit, wo kämen wir da hin! Es wäre nicht auszuhalten. Und wenn einer in seinem Leben wirklich jemandem Gutes tut, so bürdet er dem Beglückten damit eine Verpflichtung auf. Wer diese Bürde spürt, fühlt sich unfrei, möchte die Last loswerden, wird dich lästig und zudringlich finden, wenn du ihm diese Bürde nicht abnimmst, wenn du tatsächlich Dankbarkeit erwartest. Betrachte es einfach so, als hättest du eine Sünde begangen, indem du ihm Gutes tatest. Nimm ihm die Fessel ab, gib ihm die Freiheit, lass ihn fliegen,
Weitere Kostenlose Bücher