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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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Schreck, wenn meine Augen so viel lächelndem Gold begegnen.
    Männer meines Alters in gehobener Stellung sind mehr auf ihr Aussehen bedacht als die jüngeren. Ihre Jacketts und Hosen sind jederzeit frisch gebügelt und fleckenlos. Ihre Haare lassen sie vom Coiffeur so aalglatt bürsten, als wären sie am Schädel festgefroren. Manch einer rasiert sich, wenn er eine Einladung für den Abend hat, ein zweites Mal; auch ich versäume es keinen Tag, mich zu rasieren. Man befürchtet sonst, älter zu wirken.
    Einige Bekannte in meinem Alter trinken zu Mittag Mineralwasser. Es gibt sogar welche, die abends keinen Wein trinken, auch kein Bier. Wegen der Säure, wegen der Nieren oder weil ihre Galle es nicht verträgt. Andere überraschen mich damit, dass sie aus der oberen Westentasche ein kleines, flaches Döschen mit dunklen Körnern hervorholen; nach der Mahlzeit schlucken sie zwei davon. Die Säure! Ich kenne auch Herren,die ihre Kapseln und Pillen in feinen Silberbüchschen mit sich herumtragen; so sind sie ausgestattet. Ich benötige auch etwas Natron, wenn ich gefülltes Kraut gegessen habe oder mir jemand das falsche Getränk aufgenötigt hat, denn davon bekomme ich augenblicklich Sodbrennen. Gelegentlich spüre ich auch die Säure vom vielen Nikotin.
    Manchen ist irgendwann der Blinddarm entfernt worden. Zwar ist der keine Frage des Alters; aber es fällt mir manchmal ein, wenn ich so einem Bekannten begegne: der hat ja gar keinen Blinddarm mehr. Auch sehe ich und registriere, dassdieser oder jener anfängt, langsamer zu schreiten. Obwohl er an sich gesund ist und auch nicht gerade übergewichtig. Wann, an welchem Tag ist ihm eingefallen, dass er seine Schritte bedächtiger setzen muss? So, als wollte er erst etwas später auf dem Friedhof ankommen.
    Auch begegne ich guten Bekannten und anderen Menschen meines Alters, die von einem Tick geplagt sind. Entweder rümpfen sie die Nase, schütteln in gewissen Abständen den Kopf, blinzeln unentwegt oder reißen plötzlich den Mund auf, als wollten sie nach einer Fliege schnappen, um ihn sogleich wieder zu schließen, ohne Beute. Manch ein Bärtiger fingert bei der Zeitungslektüre oder wenn er in die Luft guckt unbewusst minutenlang an seinem Bart herum. Es gibt auch Leute,die im Sitzen den Kopf hochheben,zur Decke blicken und dann aus Nervosität zweimal hüsteln. Manchmal tue ich das auch, ich weiß gar nicht seit wann: ich hüstele nicht, reiße aber den Kopf hoch, schrecklich ungeduldig, als wollte ich diesen Kopf vom Halse reißen. Bei der Arbeit geschieht das häufig. Auch an der Nase spüre ich dann und wann, wie mir ein Zucken in den Nasenflügel schießt, und auch an den Backenknochen zuckt es gelegentlich; ich weiß nicht, ob es jemand bemerken würde,der mir gerade ins Gesicht schaut. Wenn ich nervös bin, auf die Trambahn warte oder mich jemand, mit dem ich sprechen möchte, am Telefon warten lässt, ziehe ich auch gern die Schulter hoch; aber immer nur die linke, warum wohl gerade die?
    Dass ich zerstreuter bin als früher, hat sicher mit dem Alter zu tun; ich stecke einen Brief in den Postkasten, den ich noch nicht adressiert habe; vergesse daheim das Taschentuch, das ich mir zurechtgelegt hatte, und muss mir unterwegs ein neues kaufen; oft drehe ich mir, während ich arbeite, schon die nächste Zigarette, wenn ich die eine erst zur Hälfte geraucht habe, und dann ziehe ich abwechselnd an der einen und der anderen; lasse auch da und dort bei den Wörtern einen Buchstabenweg; beim Lesen eines englischen Buches greife ich gelegentlich zum Wörterbuch, vergesse aber, während ich die Hand danach ausstrecke, was ich nachschlagen wollte, bleibe dafür im Dictionnaire hängen und grase gleich eine ganze Seite Wörter ab. Im Gespräch kommt mir plötzlich ein Wort abhanden, ein Wort meiner Muttersprache, das ich soeben sagen wollte; unglaublich. Oder? Sogar Namen fallen mir manchmal nicht ein, wenn jemand auf mich zukommt, sogar von Leuten, die ich schon ewig kenne. Oft muss ich über eine Telefonnummer nachsinnen, die ich sonst hersagen kann, wenn man mich mitten aus dem Schlaf rüttelt. Mehr Beispiele wollen mir jetzt nicht einfallen, ich bin etwas zerstreut.
    Von Herbst bis Frühjahr bin ich bestrebt, mehr zu Fuß zu gehen, wenn ich nicht Tennis spiele. Ein Bekannter, der zum Fechten geht, sagte mir, wer keinen anderen Sport betreibe, müsse täglich einen Fußmarsch von drei Stunden machen. Natürlich soll man beim Gehen nicht rauchen, denn das strapaziert

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