Die Liebe am Nachmittag
Mädchen nachschaut, die einem frech in die Augen sehen und die man auf den ersten Blick für Damen gehalten hat; solche Mädchen pflegen dann vor den Schaufenstern von noblen Pelz- und Schuhgeschäften stehen zu bleiben und, wer weiß zum wievielten Mal, angelegentlich die Auslagen zu betrachten.
Es gibt im Leben jedes Mannes aber auch Augenblicke, von denen er nie berichtet, in denen er auf der Straße ein hübsches junges Mädchen anstarrt, das ihm daraufhin einen abweisenden Blick zuwirft oder den Kopf abwendet oder sogar eine Grimasse schneidet, obwohl er doch, nicht wahr, gar nichts anderes im Sinne hatte, als sich an ihrem Anblick zu erfreuen wie an einer taufrischen, noch geschlossenen Tulpe Anfang Mai.
Aber es gibt junge Mädchen, Zwanzig- und Siebzehnjährige, die Männerblicke mit mehr als neugierigen Augen erwidern; sie wollen nichts anderes, als ein wenig die Wirkung genießen, die sie erzielt haben und dann den Onkel auslachen, so wie Schulmädchen kichern, wenn sie von jungen Burschen angestarrt werden.
Manchmal fährt mir so etwas wie ein rebellischer Paukenschlag ins Herz, ich drehe mich nach einem Mädchen um, das mir so überraschend freimütig ihre Augen dargeboten hat und spüre fast, wie sie nach hinten lauscht, ob ich folge; und ich marschiere auch los, mein Herz hämmert, doch nach drei Schritten werde ich langsamer, bleibe dann stehen, schaue nurnoch, blicke dem Mädchen nach, bis der kleine grüne oder rote Hut entschwindet. Der Mut hat mich verlassen. Ich will mich nicht der Blamage aussetzen, dass dieses Mädchen vielleicht den Kopf in den Nacken wirft und weitereilt, sobald ich sie eingeholt habe und mich ihrem Gesicht zuwende. Und ich halte auch deshalb inne – selbst wenn ich mir das so genau gar nicht überlegt habe –, weil ich mein müdes Leben nicht weiter komplizieren möchte.
Es ist entschwunden, aus, und ich sehe dieses Mädchen nie wieder.
Auf jeden Fall amüsiert es mich, wie maßlos blöd ich in solchen kritischen Minuten bin.
Ein fünfundvierzigjähriger Nomade resümierte einmal wehmütig, wie enttäuscht er sich aus solchen Mädchengeschichten zurückgezogen hat. Alle wollen sie etwas, sagte er, sie brauchen Geld oder eine Empfehlung für irgendeinen Posten. Das ist doch nur zu verständlich und man muss es nicht gar so grundsätzlich beurteilen, oder? Das nicht, meinte er, aber man kann es eben nicht mehr so genießen, spürt, dass man doch zu alt für sie ist.
Ich spüre das in Gegenwart meiner Iboly nicht. Sie möchte nämlich gar nichts von mir.
Aber spüren tu ich trotzdem etwas,es ist ein Zeichen des Alters, dass ich in manchen Augenblicken in Iboly ein ebensolches Kind sehe wie in anderen neunzehnjährigen Mädchen.
Und ich habe ja auch noch das Auge, mit dem ich in den Neunzehn- oder Achtzehnjährigen die großen Mädchen, die Fräulein, geschätzt habe.
Sogar mein Gymnasiastenauge, dem seinerzeit die Maturanten – und erst recht die schon erwachsenen Jusstudenten, zwanzig-, zweiundzwanzigjährige Jungherren – so gewaltig imponiert haben, ist bis zu einem gewissen Grade noch vorhanden.
26. Nacht
Komm, Iboly.
Sie kommt, kommt so gern.
Es ist Februar; fünf Pengő habe ich seither für ein neues Futter in Ibolys Mantel geopfert; es ist apricotfarben; ich schwärme nicht gerade für die Farbe, aber sie ist nicht so schreiend wie dieses Grün.
Zweimal die Woche treffe ich sie nun wieder, manchmal auch dreimal.
An einem Sonntagmittag nahm ich sie mit ins Museum der Schönen Künste; noch nie in ihrem Leben ist sie dort gewesen.
Wunderbare Winterabende, irgendeine Süße lauert in der klaren kalten Luft,das genieße ich jeden Winter. Meist begleite ich Iboly zu Fuß in das weitab gelegene Gässchen, wo sie wohnt. An manchen Abenden rieselt der Schnee, und man kann dann gar nicht langsam genug gehen, so angenehm ist es, in diesen still gewordenen Seitensträßchen zu schlendern; manche Schneeflocke schwebt einem auf die Lippe, man müsste sich bedanken für dieses erhebende, feierliche Gefühl, für ein so beglückendes Geschenk. Umso mehr, als dieses anhängliche Mädchen hier an meiner Seite ist; ihren Arm hat sie natürlich bei mir eingehängt, abergläubisch besteht sie auf das Arm-in-Arm-Gehen. Ich missbrauche die Situation, verlange von ihr, wenn sie ihren Arm unter meinen schieben will, eine Art Garderobenobolus, wie ihn die Garderobiere im Theater für einen Schirm nimmt. Einen Heller. Hat sie keine passende Einhellermünze und kann ich
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