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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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Malaria ausbrüten. Ich bin übellaunig und verzweifelt, wie jedes Frühjahr quält mich meine Neurasthenie. Und ich hatte gedacht, wenn ich erst einmal vierzig wäre, würden sich diese Beschwerden verlieren. Aber das stimmt nicht. Von einem zart besaiteten achtundfünfzigjährigen Maler habe ich gehört, dass er jetzt genauso unter seiner Neurasthenie leidet wie mit fünfundzwanzig.
    Nicht einmal die drückendsten Sorgen können mich von dem Trübsinn und Lebensüberdruss ablenken. Dieser jammervolle Seelenzustand ist auch daran schuld, und nicht nur meine Abgeschlagenheit, dass ich eine Woche nach der anderen verstreichen lasse und dieses liebe, begehrenswerte Mädchen immer noch nicht so glücklich mache, wie sie sich das erträumt. Dazu muss man in einer anderen Stimmung sein!
    An manchem Vormittag bin ich, wenn ich die Zeitung durchgeblättert habe, völlig abgeschlafft und kann nicht arbeiten. Obwohl doch die Vormittagsarbeit meine Existenzgrundlagebildet. Aber der Zeitungslektüre kann ich ebenso wenig abschwören wie dem zerstörerischen Rauchen. Manch mal bekomme ich am Morgen bis zu zehn Selbstmorde in der Zeitung aufgetischt. Einige der Advokaten, Kaufleute oder Ärzte habe ich sogar gekannt. Und es kommt mir vor, dass sie und auch die Anonymen, die in kleinen Lettern vermerkten Schneider-, Tapezierer- und Schlossergesellen, die keine Einbrecher, sondern Selbstmörder geworden sind, alle den letzten verzweifelten Blick auf mich werfen. Unter den Herrschaften, bei denen ich verkehre, sind Selbstmörder schon lange kein Thema mehr, man redet über anderes. Ich starre ins Leere, wenn sie sich über Tenniskonkurrenzen, Autoschönheitswettbewerbe ereifern, wo gleichzeitig eine verzweifelte Mutter ihre Kinder umgebracht oder ein stellungsloses Mädchen sich aus dem fünften Stock in die Tiefe gestürzt hat. Auch mich betreffen doch, nicht wahr, all diese Fälle nicht, nur gehen sie mir tagelang nicht aus dem Kopf, ich empfinde eine so abgrundtiefe Enttäuschung und verzweifle an meinem Beruf. Schäme mich,hier zu sein,mein Gesicht zu zeigen, zu schweigen, mich zu Wort zu melden und doch nicht mein Herz auszuschütten, denn man lässt sein Herz einfach nicht herausbaumeln, allenfalls das Einstecktüchlein.
    Die Neurasthenie bewirkt, dass man unter Gesichtern, auch unter Stimmen, die einem nicht behagen, leidet, sogar das Gezirpe der Spatzen tut einem weh im Ohr; man ist gegenüber den Fehlern seiner Freunde unduldsam, beleidigt die, die man liebt, und grämt sich anschließend entsetzlich deswegen; in manchen Augenblicken ist einem sogar das Atmen eine Qual, und man glaubt, verrückt zu werden, weil man unentwegt atmen muss bis ans Ende seines Lebens; man hasst jegliche Nahrungsaufnahme und ekelt sich vor seinem Lieblingstabak, als litte man an einer Nikotinvergiftung. Lästig sind sogar die Frühlingsblumen; ja, während Iboly von den ausgepflanzten Stiefmütterchen und knospenden Tulpenschwärmt, schaue ich mit Mitleid und Abneigung auf diese kleinen, bunten Gebilde, die immer gleich und allzeit ruhig und müßig da herumstehen und kein Herz für uns Menschen haben. Mir fallen all die sich in Geschäften und Kontoren abplagenden, armen Mädchen ein, die bis neun Uhr abends eingesperrt sind,denen niemand den Hof macht,die nichts haben als diese kleinen gelben Romane, die sie in der Straßenbahn lesen; etwas durchzuckt mein Herz: Mit einem so hoffnungslos unattraktiven armen Mädchen müsste ich hier sitzen beziehungsweise am Abend auf sie warten und mit ihr spazieren gehen, weil sie ja nachmittags noch nicht abkömmlich ist. Alle Blumen müssten schwarz oder grau auf die Welt kommen und so für die Armen und Unglücklichen demonstrieren.
     
    Lassen wir das.
     
    Ende April ergießen sich die Spaziergänger der Stadt geradezu über die Insel.
    Ich fange an, mich hier mit Iboly unbehaglich zu fühlen. Man wird gesehen und erkannt. Ich führe sie über die schmalsten Pfade, und wir setzen uns in die verborgensten Winkel: Doch überall wandeln Menschen. Den Hut ziehe ich mir schon bis auf die Nase herunter, schaue häufig unter die Bank, habe ständig Angst, wenn irgendjemand kommt. Ein altes Ehepaar spaziert an uns vorüber, stumm, in Gedanken, als bedauerten sie ihr Alter. Ich schäme mich, weiß nicht warum. Wer mich ansieht, findet es vielleicht merkwürdig, dass ich mit einem so jungen Mädchen hier sitze. So viele junge Burschen und Mädchen ziehen an uns vorüber. Jede Minute sehe ich etwas, das mir

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