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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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ich mit siebenundzwanzig für eine Frau hundertmal mehr wert war als heute. Wären wir uns damals über den Weg gelaufen, arme 5Fleurs, du wärst mit mir ins Märchenland entschwebt.
    Meine Geliebte kommt immer wieder auf dieses Gräflein zurück, wenn wir zusammen sind; vielleicht auch nur, weil es ihr behagt, Gräflein zu sagen. Für mich ist er nie ein Thema, und was ich über ihn höre, vergesse ich so schnell wieder, wie das, was ich gestern zu Mittag gespeist habe.
    Und Iboly bedrängt mich, mit ihr die Rolle durchzunehmen. Zweimal war sie schon zum Privatunterricht bei ihrem Lehrer Tatai oben; regelmäßig kann sich der noch nicht mit ihr beschäftigen, weil der Herr Professor jetzt selbst zu lernen hat: Das Theater bereitet die Aufführung eines musikalischen Lustspiels aus Frankreich vor, in dem der Herr Tatai irgendeinen Botschafter spielt.
    Wir haben uns dann wirklich einmal die
Kirchenmaus
vorgenommen und uns ein stilles Plätzchen auf der Insel gesucht, für diesen Zweck bot sich die mit Strauchwerk überwucherte Klosterruine an. Aber als Iboly in voller Lautstärke zu sprechen begann, steckten gleich mehrere Pärchen neugierig die Nasen durch die Sträucher und kicherten; auch der Parkwächter kam, stellte sich auf die Zehenspitzen und machte einen langen Hals: Wer streitet denn da? Es war mir nicht möglich, mich auf die Rolle zu konzentrieren.
    Du, Ibi, hier kann man nicht lernen. Sogar die Vögel stören.
    Und wir, mein Kind, stören die Liebespaare.
    Schau, wie friedlich stumm die zwei da auf der Lichtung sitzen, Arm in Arm.
    Und die dort, der Junge in kanariengelber Kluft, seine Auserwählte im roten Kleid, ein Gemisch von Rosa und Karottenrot,wie man es nur von den Musikclowns im Zirkus kennt. Zum Küssen geschmacklos, beide, vom Scheitel bis zur Sohle; die sind wirklich füreinander geschaffen, mussten sich im Leben finden! Sie bestaunen einen Baum, eine blühende Rosskastanie, über und über voll mit rosaroten Blüten, steht da wie ein prunkvoller Weihnachtsbaum. Was sollten sie denn auch reden, dieses Mädchen und ihr Verehrer, die Singdrossel und die Meisen machen ihnen die schönste Musik; so warten sie, bis es dunkel wird, dann werden sie sich zueinander neigen und ihre Lippen zusammenführen.
    Auch Ibolya wird von dieser Stimmung ergriffen,sie schiebt ihren Arm in meine Garderobe,legt den Kopf an meine Schulter und sagt:
    »Ach, man dürfte im Frühling an gar nichts anderes denken als an die Lie… Linde… Lindenbaum.«
    Versteht das einer?
    Ich verstehe es.
    Es heißt: Ich liebe Sie.
    Als die Kastanie aufgeblüht ist, vor etwa zehn Tagen, da ist dieses Wort Ibolys Mund entschlüpft, das schon unter ihrer Zunge gelauert hat, eingeklemmt zwischen den Zähnen, umherflatternd unter ihrem dunklen Gaumen. Wir kamen von der Insel. Iboly lehnte sich an mich, in der Linken einen langen Weidenast, damit malte sie Kreise vor sich auf den Gehsteig, plötzlich leise, ganz leise, wie schläfrige Vögel piepsen:
    »Wissen Sie, dass ich Sie sehr liebe? Sie so liebe, dass ich beinahe schon lachen muss über mich.«
    Als ich wieder Worte fand, sagte ich zu Iboly, meine Kleine, das will ich nie wieder von dir hören.
    »Warum denn nicht? Wenn’s mir doch so guttut, es zu sagen.«
    Mir aber bekommt es schlecht, das zu hören.
    Sie versteht nicht warum.
    Bloß so. Ich weiß es nicht. Glaubst du, ich weiß alles? Du bekommst eine harte Strafe, wenn du es noch einmal sagst. Musst Öl schlucken beim Abendessen, wenn ich es noch einmal höre. Einen ganzen Esslöffel voll, willst du das?
    »Ich will.«
    Nein, sie hat es nicht mehr gesagt. Die Drohung mit dem Öl hat ihre Wirkung getan. Sie ekelt sich schon davor, wenn ich nur einen Tropfen auf ihren Salat träufeln will.
    Sie macht sich einen Spaß daraus, fängt beim Essen immer damit an: Ich lie…, ich liebe Lindenblütentee. Oder ich lie… liebe Libanon, ach wie schön muss es dort sein!
    Seither treibt sie dieses Spielchen mit mir. Lie… Lieber Gott, steh mir bei, dass wir zwei uns mögen.
    Was soll bloß aus unserem Lernen werden?
    Beim nächsten Mal gehen wir in den alten Friedhof, unten im Tabán, die Toten sind taub, dort kannst du so laut sein wie du willst.
    In diesem Friedhof im Tabán war ich einmal mit einem Mädchen, wir mussten dem Klatsch der Welt aus dem Wege gehen. Man konnte dort so herrlich sitzen und für sich sein; wenn hin und wieder jemand an uns vorbeischlurfte, war das nur ein alter Herr oder eine ältere Frau aus der Umgebung,die

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