Die Liebe am Nachmittag
unangenehm auffällt. Ein Stück weiter, am Pester Ufer, lernt ein groß gewachsener Student mit Backenbart, geht vor einer Bank immer fünf Schritte auf und ab; seine Hose ist verschossen, seine Samtmütze von verblichener Farbe; er lässt die herausgetrennte Buchseite sinken; schautimmer wieder zu uns her, beobachtet Iboly. Tut mir leid. Wenn ich jetzt aufstehen und zu ihm hinübergehen würde: Lieber Freund, darf ich dich mit diesem liebenswürdigen Mädchen bekannt machen, zu dir passt sie doch viel besser. Auch der Metzgerbursche ist mir schon mehrmals eingefallen, der Iboly schöne Augen gemacht hat, als er damals mit ihr vor dem Theater stand, mich gemustert hat und sich dann verzog. Ob dieser Junge von mir weiß, zufällig? Im Kino endet mancher Film so, dass der amerikanische Junge und das Mädchen ihre Hände auf die Bibel des Pfarrers legen, heiraten. Ich ziehe dann immer meine Hand aus Ibolys zurück. Es ist ein Reflex, aber ein folgerichtiger! Genauso habe ich es früher mit anderen Mädchen gemacht. Und auch Iboly verstummt in solchen Augenblicken, wenn sie vorher gerade mit mir geflüstert hat; und lauscht ergriffen dem Dröhnen der Orgel.
Ich denke auch, es könnte einmal passieren, dass plötzlich die 5Fleurs vorbeispaziert in ihrem weißen Röckchen und der zitronengelben Jacke, das Tennisracket neben sich schlenkernd; sie könnte doch gelegentlich Lust verspüren, von der unbebauten, öden Gegend, in der die Sportplätze liegen, einmal ein Stück weiter zu schlendern. Sie ist ja jetzt schon regelmäßig hier draußen im Tennisclub. Nein, wie peinlich das wäre. Ich habe kürzlich schon einmal daran gedacht, es zu erwähnen, falls sie mich zufällig von ihrem Wagen aus in Begleitung einer Frau oder eines Mädchens sieht, braucht sie nicht an irgendeine Gemeinheit zu denken, ich habe wirklich eine Menge Bekannte, und wir sind nur ein Stück des Weges miteinander gegangen. Ich darf es nicht vergessen, werde es ansprechen!
Unser beider Liebesleben ist immer das Gleiche. Nie etwas Neues. Wir haben beispielsweise noch nie miteinander gestritten, in zwei Jahren! Dieses Glück kennen wir nicht. Wie sollten wir auch in Streit geraten, wenn wir so selten beisammen sind. Und worüber könnten wir streiten? Wir zankenuns ja auch nicht mit unserem Hausarzt, dem Trainer und nicht mit der Stenotypistin oder der Maniküre.
Jetzt am Frühlingsbeginn sagte die 5Fleurs eines Nachmittags:
»Haben Sie mich noch immer nicht satt?«
Sie mich auch nicht?
»Es sind schon zwei Jahre« – sagt sie – »schrecklich! Die Geschichte dauert ja bereits länger als eine Ehe.«
Letztes Jahr um diese Zeit, als unser Verhältnis ein Jahr alt war, bin meiner Erinnerung nach ich es gewesen, der getönt hat:
Dieses Abenteuer, beste 5Fleurs, zieht sich schon sehr lange hin; glauben Sie nicht, dass wir uns ein zeitliches Limit setzen sollten?
»Wie Sie meinen.«
Gut, dann lassen Sie uns gleich ein Datum festlegen. Ich kramte meinen Taschenkalender hervor, aber 5Fleurs entdeckte sofort lachend, dass es noch der vom letzten Jahr war.
So haben wir das Thema veralbert.
An manchen Tagen stelle ich mir vor, wir wären noch ganz am Anfang. So sehr haben wir unsere Herzen und Seelen gegenseitig noch nicht leer gelöffelt. Diese Liebe ist wie die nikotinfreie Zigarette. So ist es gut für mich, das habe ich eingesehen; denn mehr wollte ich auch nicht. Ich glaube nämlich, dass die Beziehung deshalb so schön lange dauert, weil sie mit keinerlei Gefahr verbunden ist. Irgendwann einmal wird sie zu Ende sein, dann können wir sie wie ein Kleidungsstück, wie einen Hut, ablegen für immer, sie und auch ich.
Vor etwa drei Wochen berichtete mir 5Fleurs, dass ein junger Graf Feuer für sie gefangen hat, der ist auch in ihrem Tennisclub, siebenundzwanzig, ein wirklich hübscher Junge und gar nicht dumm. Er arbeitet übrigens in einer Bank, persönlicher Sekretär des Häuptlings; auch seine Vorfahren waren stets an der Seite von Häuptlingen!
Habe ich etwas zu befürchten? Sagen Sie es mir ruhig.
»Um Gottes willen! Ich mag doch keine Greenhorns. Aber ich lasse ihm die Hoffnung, dem Gräflein; möchte schon, dass er mich eine Weile umwirbt: Er ist der ideale Tennispartner für mich, und nicht wenige beneiden mich um ihn.«
Greenhorn. Einem in meinem Alter müsste es doch gut tun,nicht wahr,dass eine Frau Jünglinge wie ihn nicht als vollwertige Männer betrachtet. Aber ich weiß nicht, mich verblüfft das immer. Ich bin der Meinung, dass
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