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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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nicht. Noch einmal.
    »Guten Aabend.«
    Ich begreife nicht, warum sie diesen leichtesten, einfachsten Ton nicht hinkriegt. Sie tut, als wollte sie die Saiten einer Geige stimmen, streicht den Bogen hin und her, trifft den Ton, dann aber dreht sie wieder vor und zurück am Geigenwirbel und findet diese Tonlage nicht wieder.
    Sie dreht sich um und rennt davon; kommt zurückgelaufen, bremst, tritt vor mich hin und verbeugt sich:
    »Guten Aabend.«
    Falscher denn je. Auch sie selbst hat es gemerkt und ist erschrocken: Au!, als hätte man ihr eine Stecknadel ins Fleisch getrieben.
    Du bist nervös, Iboly. Lassen wir es jetzt, nicht mit Gewalt.
    »Du liebe Zeit!« Sie ließ sich neben mir auf den Grabstein fallen und schlug die Beine übereinander.
    Iboly, wie hast du jetzt das eine Bein über das andere geschlagen?
    »Wieso?«
    Du hast das linke Bein auf dein rechtes Knie gelegt. Ein wohlerzogenes Mädchen weiß, dass man das rechte Bein über das linke schlägt. Wusstest du denn auch das nicht?
    Sie zog das übergeschlagene Bein ganz schnell neben das andere, nahm die Sache einen Augenblick lang ernst, so sehr war sie darauf getrimmt, mir alles zu glauben.
    Gleichzeitig mussten wir beide laut lachen. Ihre gute Laune war wieder da.
    Sie bekam einen Kuss, danach eine Zigarette.
    Also dann weiter.
     
    Z SUZSI : Ist der gnädige Herr denn der Herr Präsident persönlich?
    BARON: In der Tat, der bin ich.
    Z SUZSI : Na, Gott sei Dank bin ich jetzt endlich so weit. Nie hätte ich für möglich gehalten,dass es so schwer ist,zu einem Direktorpräsidenten vorzudringen. Bei sicher zwanzig Stellen habe ich mich gemeldet. An zwanzig Stellen hat man mir die Wange getätschelt und mir an ebenso vielen Stellen erklärt, es sei für mich ganz unmöglich, den Herrn Präsidenten zu sprechen.
     
    Iboly spricht die Rolle ganz ordentlich. Ich bin jetzt etwas erleichtert, freue mich.
    Wirst du auch vor Publikum so ruhig sein?
    »Keine Angst. Schon im letzten Jahr, noch im ersten Jahrgang, hatte ich eine kleine Rolle bei der Prüfungsvorstellung und kein bisschen Lampenfieber. Lassen Sie sich   … ach Gott!«
    Sie bestrafte sich selbst mit einer Backpfeife für das verpönte
Lassen Sie sich gesagt sein
.
    Wie oft hast du den Text jetzt schon mit deinem Lehrer geübt?
    »Fünfmal war ich oben bei ihm. Aber mit dem richtigen Lernen werden wir jetzt erst anfangen.«
    Ich kneife Iboly zärtlich in die Wange; sehe sie an, als wäre sie mein Eigentum; empfinde so etwas wie Stolz, als hätte ich dieses Kindchen entdeckt.
    Wir haben den kompletten ersten Akt durchgenommen.
    Nur an wenigen Stellen musste ich sie stoppen, weil sie da eine längere Pause machen, hier die Stimme etwas heben, sie dort lieber senken sollte etc.
    Im Großen und Ganzen aber spricht sie die Rolle schön temperamentvoll, sympathisch. Irgendetwas aber fehlt, ich kriege es von Iboly nicht; ich lausche, warte, so als hielte ich eine Muschel ans Ohr, doch sie wollte nicht rauschen. Ich weiß gar nicht, was ich aus Ibolys Worten erlauschen will, was sich bei ihr noch nicht zu Wort gemeldet hat. Irgendetwas Neues, eine Stimmung, ein Herzchen, das ihre. Eine kleine Überraschung, wie sie einem ein gerade kreierter Cocktail oder eine fremde Zigarettensorte oft bietet. Dieses kleine Manko verbirgt sich doch hinter meiner Zufriedenheit.
    Ja, sie soll nur lernen, nur üben mit Herrn Tatai, ihrem Lehrer, dann wird sich auch etwas entfalten wie das Blütenblatt einer Rose, die aus der festen Deckschicht ihrer Knospe tritt, etwas, das entzückt; mit der Spitze meines Fingers werde auch ich an Ibolys Spiel kratzen wie an einem Abziehbild, bis das Talent, das sich jetzt noch unter ihrer Zunge verbirgt, rot und grün zutage tritt.
    Dieses Guten Abend! Eine dumme Sache.
    Als wir aufbrachen, weil Iboly zum Theater musste, fing sie wieder damit an: Guten Abend. Guten Abend. Guten Abend. Nicht gut, auch jetzt noch nicht?
    Lass es, Herzchen. Du wirst sehen, morgen ist es kein Problem mehr. Es hat an mir gelegen, ich war zu ungeduldig und fordernd. Es hat dich verschreckt.
    »Ja, ich war wirklich erschrocken.«
    Siehst du, jetzt bist du wieder betreten. Vergiss es einfach.
    Sie konnte sich damit nicht abfinden. Wir warteten auf den Autobus; sie wandte sich ab; und dann, einmal leise, einmal laut, sie konnte es nicht lassen:
    »Guten Aabend. Guten Aabend. Guten Aabend.«
    Ein verknittertes altes Weiblein ging vorbei mit einer großen leeren Sodawasserflasche im Arm; die Alte nahm es ernst und

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