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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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grüßte zurück:
    »Guten Abend, mein Kind, küss die Hand.«
    Die Arme wandte sich um, als Iboly kicherte.

35.   Nacht
    Ich weiß nicht genau, war es drei oder vier Tage später, dass wir wieder zum alten Tabáner Friedhof gingen.
    Wir suchten den umgefallenen Grabstein, auf dem wir letztens gesessen hatten.
    Schon unterwegs hat Iboly berichtet, dass das größte Problem mit der
Kirchenmaus
Gott sei Dank schon gelöst sei. Nämlich das kleine Abendkleid für den zweiten Akt. Schauplatz dieses zweiten Aufzugs ist Paris, und da führt irgendein Graf die Iboly beziehungsweise Zsuzsi am Abend aus. Iboly hat sich wegen ihrer Abendrobe an Maci gewandt. Daran,dass sie an ein neues Kleid kam, war gar nicht zu denken, selbst im billigsten Kaufhaus gab es da nichts unter fünfzig Pengő. Zum Glück besitzt diese Maci ein Abendkleid vom letzten Jahr, rosa Tüll mit kleinem Taftunterrock, etwas Passenderes für die
Kirchenmaus
könnte man sich nicht einmal erträumen, wirklich sensationell! Die Kollegin hat ihr das kleine Abendkleid auch schon gegeben, und zwar für immer, nicht nur geliehen. Die Maci ist jetzt glücklich, weil sie für die zweite Prüfungsaufführung eine kleinere Rolle in einem Operettenausschnitt bekommen hat. Die Schule veranstaltet nämlich eine Woche nach der ersten Prüfungsvorstellung eine zweite Aufführung mit den Prüflingen; dann werden kürzere Stücke, Ausschnitte, auch mit Tanzeinlagen, aufgeführt, damit sich die ganze Schule dem Publikum präsentieren kann. Maci möchte ja Soubrette werden, und ihr Traum ist, wie bei den meisten Mädchen, der Film, sie scharwenzelt deshalb schon jetzt immer bei den Filmleuten herum, versucht, sich mit ihnen bekannt zu machen. Bei dem kleinen Abendkleid muss nur an den Hüften etwas weggenommen werden, denn Maci ist dort etwas »stärker« als Iboly; das besorgt eine ihr bekannte kleine Schneiderin aus Gefälligkeit, als Dank bekommt sie zwei Karten für die Prüfungsvorstellung.
    Die weiteren Kleider für das Stück sind kein Problem. Ein schlichtes Graues, in dem sie bei dem Baron auftritt, und ein Kleid fürs Büro,so etwas besitzt sie selbst; was sie noch braucht sind ein Schlafrock und ein paar Schuhe zum Abendkleid, Letztere wird Bijou auftreiben, auf Biegen und Brechen, sagt sie.
    Wir setzten uns zum Lernen hin.
    Als Erstes blättre ich den Auftritt durch, ich wage heute noch nicht, dieses Guten Abend! wieder hervorzuholen, sie könnte sich erschrecken und dann auch das Übrige nicht mehr hinkriegen.
    Es ist ja wirklich erstaunlich, dass ich kaum mehr als einenoder zwei Schauspieler kenne, denen ich abnehmen kann, dass sie aus dem realen Leben kommen, wenn sie eintreten, den Mund aufmachen und guten Abend wünschen. Begegne ich dem einen oder anderen vor dem Theater oder begrüße ich ihn hinter der Bühne und er sagt: Guten Abend, so ist das genau so ein Guten Abend, wie wir es uns fast unbewusst und aus dem Herzen kommend wünschen. Wenn dieser Schauspieler aber am Diensthabenden der Feuerwache vorbei ist und diese Linie überschritten hat, die das Leben von der Fiktion trennt und ihm das Rampenlicht in die Augen scheint, dann ist er nur noch Schauspieler; das Guten Abend auf der Bühne ist nicht mehr dasselbe wie das, was eben noch aus seinem Munde kam. Jetzt klingt Befangenheit heraus; das Metier; irgendeine Absicht. Er unterstreicht es, zieht es empor, biegt es weg, ich weiß nicht was noch. Ich kann die Nuance im Ton gar nicht in Worten ausdrücken, um die sich das gemimte vom lebendigen Wort unterscheidet. Kaum fassbar, wie in der Musik der
Drittelton
zwischen den schwarzen und weißen Tasten.
    Ja, der Schauspieler muss lauter sein als ein privater Erdenbürger. Sicher, auch die Kunst hat etwas zu bieten, was das Leben sein muss, und dazu noch etwas mehr als das Leben, vielleicht noch etwas Wahrhaftigeres. Und dieses Guten Tag oder Wünsche einen guten Tag muss schwierig sein.
    Iboly spurtet, hastet buchstäblich durch den ersten Akt.
    Ich fange sie ein,offeriere ihr den einen oder anderen neuen Tonfall, einen Blick oder eine Geste, eine etwas verlegenere Verlegenheit, eine forschere Beherztheit, frischere Kindlichkeit, Quirligkeit oder eine verschämtere und weichere Stimme, wenn sie zum Beispiel über die Armut redet; diese Zsuzsi muss den fünfzigjährigen Galan, den Baron, den sie sich am Ende als Ehemann einfangen wird, herzzerreißend rühren, besser amüsieren und unsäglich bezaubern.
    Du sagst alles ein bisschen zu gleichmäßig, mein

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