Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
Vom Netzwerk:
Closer von Patrick Marber), in dem die Fotografin Anna (Julia Roberts), die einer außerehelichen Versuchung erlag, sich schließlich wieder ihrem Ehemann zuwendet, der seinerseits auf Tour war. Die Eheleute legen sich wie gewöhnlich schlafen, er schnarcht, und sie deckt ihn liebevoll zu, keiner scheint etwas zu vermissen: Versöhnliches, typischerweise wenig aufregendes Ende einer leidenschaftlichen Vierecksgeschichte mit den üblichen Verführungen, Ekstasen, Enttäuschungen, Geständnissen; eine Neuauflage (die musikalische Untermalung erinnert daran) von Mozarts Così fan tutte , 1790 uraufgeführt.
    Um den ontologischen Übergang aus dem weiten Reich der Möglichkeiten in die engere Wirklichkeit des Alltags zu bewerkstelligen, bedarf die Liebe einer Einrichtung des gemeinsamen Lebens in Raum und Zeit. Erforderlich ist zunächst die Organisation des Ortes , der zum räumlichen Bezugspunkt der Liebe wird und an dem die Liebenden in gleicher Weise zu Hause sein können. Den Ort organisieren und die räumlichen Bedingungen der Gemeinsamkeit selbst definieren zu müssen, ist eine Konsequenz der modernen Befreiung von Traditionen und Konventionen des Wohnens: Auch auf diese Weise ist der erlangten Freiheit Form zu geben, um sie nicht der Beliebigkeit zu überlassen. Die Beharrungsfähigkeit des Ortes verschafft der Beziehung einen Ruhepunkt , der bei einer räumlichen Getrenntheit (»Dystopie«) der Liebenden allenfalls durch die zeitliche Regelmäßigkeit ihrer Begegnung, auch durch ihr virtuelles Zusammensein per Skype zu ersetzen ist.Ist aber ein wirklicher Ort gefunden, sind die Einzelheiten der Einrichtung und Ausstattung festzulegen. Ein Maßstab hierfür kann das Schöne, Bejahenswerte sein, das aus dem gemeinsamen Ort eine Residenz der Liebe, ein Gehäuse für das Glück zu zweit macht, und zwar für alle Aspekte des Glücks: Eine schützende Höhle gegen die zufälligen Unwägbarkeiten des Lebens »da draußen«, Nischen für Momente des Wohlgefühls und der Geborgenheit, ein Ambiente für die Fülle des Lebens, in dem nicht nur das Wohlgefühl, sondern auch das Unwohlsein, nicht nur die Liebe, auch der Streit, nicht nur das Zusammensein, auch der Rückzug voneinander, nicht nur das Spektakel, auch der graue Alltag, nicht nur das kraftvolle Leben, auch das Kranksein, letztlich auch das Älterwerden mit all seinen Gebrechen, die es mit sich bringen kann, Platz haben.
    Wollen die Liebenden wohnen und nicht nur »hausen«, wird die Wohnung zum Ort der Sinngebung , um an den Zusammenhängen zu arbeiten, die tragend fürs Leben sind: Sinnliche Erfahrungen in den Räumen befördern die Liebe zum Leben an diesem Ort wie kaum irgendwo sonst und sorgen für vitale Zusammenhänge zwischen Selbst und Welt, mit schönen Anblicken, vertrauten Geräuschen, unverkennbaren Gerüchen, unvergleichlichen Möglichkeiten, Schmackhaftes zuzubereiten, und angenehmen Berührungen. Seelischen Sinn verbürgen die gefühlten Beziehungen zum geliebten Anderen und zur Familie, auch zu Freunden, Nachbarn und Bekannten, für die dieser Ort Räume bereithält, in denen sie sich willkommen fühlen können. Zur Sinngebung tragen ebenso die gefühlten Beziehungen zu Dingen bei, zu Möbelstücken, Geräten, Tassen, Kissen, mit denen das Umfeld zu gestalten ist, das wiederum auf die wohnenden Liebenden zurückwirkt; dahersollten sie möglichst keine gleichgültigen Dinge um sich haben, zu denen keinerlei Beziehung besteht. Und selbst an diesem Ort der Rückzugsmöglichkeit ist die gefühlte Beziehung zur Natur von Bedeutung, denn die Wohnung ist in ökologische Zusammenhänge eingegliedert, in die umgebende Landschaft wie auch in die weniger gut sichtbaren regionalen und globalen Kreisläufe von Energie, Wasser und allerlei Stoffen, die durch diesen Ort hindurchgehen.
    Sinn ist schließlich auch in den geistigen Beziehungen zu erfahren, die in der Wohnung gepflegt werden, in Gesprächen oder beim Alleinsein mit den eigenen Gedanken, etwa bei einer Lektüre, womöglich in einem eigens dafür eingerichteten Raum, in dem der Einzelne ausreichend für sich da sein kann, denn das ist die Grundlage dafür, immer wieder auf Andere zugehen zu können. Und nicht zuletzt kann die Wohnung auch der Pflege einer transzendenten Beziehung Raum geben, die Sinn im Zusammenhang zwischen der wirklichen, endlichen und einer möglichen, unendlichen Dimension findet: Eine Nische kann der Meditation und dem Gebet gewidmet sein; etwas All und Universum kann so in den

Weitere Kostenlose Bücher