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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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und transzendenter Liebe, zwischen verschiedenen Arten von Beziehung, in denen sie auf irgendeine Weise eine Rolle spielt: Geradezu beliebig kann die Liebe morphen , sodass aus dem kollegialen oder freundschaftlichen Mögen Liebe, nach gescheiterter Liebe vielleicht wieder Kollegialität oder Freundschaft werden kann; aus der Liebe zu sich die zu Anderen, aus entbehrter und enttäuschter Liebe die zur Arbeit an einem Werk, aus der Liebe zu Menschen eine zu Tieren oder Dingen, aus der Menschenliebe Gottesliebe, und immer auch umgekehrt. Über alle Endlichkeit hinaus scheint die Liebe zu Toten zu reichen, zu scheinbar längst vergangenen Geistern, die zumindest in Gedanken weiterleben, zum unendlichen Kosmos, zu Gott, sodass die Liebe zu einer wahrhaft transzendenten Erfahrung werden kann. Der Reichtum möglicher Ebenen und Arten und all der Übergänge dazwischen bürgt erneut für eine Liebe ohne Ende. – Was aber ist die Liebe eigentlich? Was kann aus ihrin einer anderen Moderne werden? Werden Menschen darauf verzichten können, einzelne Ebenen und Arten zu isolieren? Sind die verschiedenen Erscheinungsformen mit einem einzigen Begriff zu erfassen, der ein neues Spiel auf allen Ebenen, mit allen Arten ermöglicht?

Was Liebe ist: Eine Emotion und ihre Definition
    Zunächst ist Liebe das, was ohne weitere Überlegung als solche erfahren wird: Sie ist, wie sie ist und genügt vollkommen sich selbst. »Es ist unmöglich / sagt die Erfahrung / Es ist was es ist / sagt die Liebe« (Erich Fried, »Was es ist«, Es ist was es ist , Gedichtband, 1983). Aber erfahrungsgemäß bleibt das nicht so, und spätestens dann beginnen die Bemühungen, besser zu verstehen, was Liebe ist, um sie zuverlässiger wieder zu finden. Beschreibungen der Erfahrung bedienen sich auffällig häufig energetischer Metaphern und sprechen von einer vibrierenden Intensität, von Kräften, die zuströmen und schwinden, von einem Feuer, das entzündet wird und verglimmt, von einer Flamme, die lichterloh brennt, bevor sie plötzlich erlischt. Die Bewegung ( motus ) dieser Energie kommt zunächst in einer unbewussten Emotion , dann in einem bewussten Gefühl zum Vorschein und verlangt nach einer Deutung , sobald sich die Anregung, Aufregung, Erregung oder ihr Nachlassen nicht mehr von selbst verstehen: Was ist das, das in mir und mit mir geschieht? Was kommt in dieser Geste, jenem Wort des Anderen zum Ausdruck, und was bedeutet das für meine Beziehung zu ihm?
    Das unendlich intensive Fühlen regt zu einem unendlich reichen Deuten an, und so unerschöpflich, wie die Energieist, so unabschließbar ist auch ihre Deutung, sodass sich sagen lässt: Liebe ist die endlose Deutung dessen, was als Liebe erfahren wird, oder kürzer, Liebe ist, was als Liebe gedeutet wird . Eine eigene Hermeneutik der Liebe , eine Kunst der Deutung der mit ihr einhergehenden energetischen Bewegungen entfaltet sich auf diese Weise, und nicht nur Einzelne, sondern auch Gruppen und ganze Kulturen pflegen sie. Die Energie der Liebe ist dabei Subjekt und Objekt zugleich: Energiegeladene Gefühle treiben Deutungen hervor und werden auch selbst zum gedeuteten Zustand. Im Grunde ist es also die Liebe selbst, anwesend oder abwesend, die die Liebe deutet, und so sehe ich beim Bedürfnis nach ihr das höchste Gut in ihr, beim Enttäuschtsein von ihr aber das größte Übel. Die jeweiligen Folgen reichen über die Liebe weit hinaus: Je nach Auf und Ab der Liebesenergien erscheinen Leben und Welt überhaupt freudig-bunt oder trist und grau, hoffnungsschwanger oder bedeutungsleer; binnen eines Augenblicks steht alles in einem anderen Licht. Jede Deutung nimmt dabei Wahrheit für sich in Anspruch, und doch sind Liebe, Leben und Welt angesichts dieser Deutungsabhängigkeit zu keinem Zeitpunkt in letzter Wahrheit zu erfassen.
    Dem energetischen Überschuss, wenn Liebe erfahren wird, entspricht ein hermeneutischer Überschwang . Schwindet die Liebe, kommt zum energetischen Engpass eine hermeneutische Engführung hinzu, in der die Deutung der Liebe, des Lebens und der Welt keinen Bewegungsspielraum mehr zu haben scheint: Die Weite des Fühlens und Denkens verengt sich bis zur Punktförmigkeit, und ein Gefühl von Sinnlosigkeit macht sich breit. Hält der Zustand an, stellt sich Verbitterung über das nicht gelebte Leben ein, für das der jeweils Andere verantwortlich erscheint, und diejenigen, die sich eben noch liebten, werfensich Engherzigkeit und die Vernichtung von Sinn vor. Möglicherweise

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