Die Liebe deines Lebens
du?«
Er sah mich seltsam an.
»Oder ich versuche, auf Ideen für mein Buch zu kommen.«
Jetzt hatte ich sein Interesse geweckt. »Was für ein Buch denn?«
»Das Buch, das ich schon immer schreiben will. Das Buch, das ich eines Tages schreiben werde.« Auf einmal war mir das alles sehr peinlich, und ich zog die Beine auf die Bank und stützte mein Kinn auf die Knie. »Vielleicht auch nicht. Es ist bloß so ein alberner Traum.«
»Das ist überhaupt nicht albern. Du solltest es unbedingt machen. Was würdest du schreiben? Einen erotischen Roman?«
Ich lachte. »Wie deine Freundin Irma? Nein … einen Selbsthilfe-Ratgeber. Ich weiß nur noch nicht genau, worüber.«
»Du solltest ihn aber wirklich schreiben«, wiederholte er ermutigend. »Du würdest etwas Tolles hinkriegen.«
Ich wurde rot, lächelte aber, denn ich war dankbar für die Unterstützung, die ich von Barry nie bekommen hatte, und auf einmal wusste ich, dass ich es tatsächlich versuchen würde.
»Ich reime gern«, sagte Adam plötzlich.
»Aha. Erzähl mal.« Ich wandte mich ihm wieder zu.
»Keine kurzen Worte«, erklärte er schüchtern. »Ich kann gar nicht glauben, dass ich dir davon erzähle, davon weiß nicht mal Maria.«
Eins zu null für mich, dachte ich kindisch.
»Nicht
fett
und
nett
zum Beispiel, sondern kompliziertere wie vielleicht …« – er sah sich um – »…
permanent
. Da fällt mir sofort
dekadent
ein.«
»Gott, du bist echt seltsam«, meinte ich und warf ihm einen pseudo-entsetzten Blick zu.
»Hey!«
»Ach, ich mach doch bloß Witze!«, lachte ich. »Das ist cool!«
»Überhaupt nicht.«
»Stimmt. Das Unterbewusste ist ein total uncooler Ort.«
»Wolltest du darauf hinaus?«
Ich blickte auf den See. »Wie wäre es mit ›Ich hab noch nie in meinem Leben‹? Das haben meine Schwestern und ich im Auto gespielt, wenn wir in Urlaub gefahren sind.«
»Ihr müsst euren Vater um den Verstand gebracht haben.«
»Ich glaube eher, wir haben ihn am Leben erhalten. Okay, du fängst an. ›Ich hab noch nie in meinem Leben …‹«
»Das klingt jetzt aber verdächtig nach einer von Elaines Techniken, wie man sich verliebt.«
»Na ja, vielleicht möchte ich ja, dass du dich verliebst.«
Ich fühlte, wie sein Blick mich mitten ins Herz traf.
»In das Leben«, ergänzte ich. »Ich möchte, dass du das Leben liebst. Also los.« Ich knuffte ihn.
»Okay, ich hab noch nie in meinem Leben …« Er dachte eine Weile nach. »… einen Lutscher gelutscht.«
»Was?!«, rief ich. »Wie das?«
Er lachte. »Als Kinder durften wir nie Lutscher haben, weil sie gefährlich sind. Jeden Tag hat man uns die Gefahren in den grellsten Farben dargestellt: Wir würden ersticken, unsere Zähne würden verfaulen, wir würden uns selbst oder anderen die Augen ausstechen. Und dann sagte man uns, wir könnten sie doch mal versuchen, aber wir müssten uns dazu hinsetzen, weil wir sonst mit Sicherheit ersticken und sterben würden. Ich meine, welches Kind würde das wollen? Deshalb hab ich nie einen Lutscher gelutscht. Das hat mir für immer die Lust auf Lutscher verdorben, ich kann kaum hinschauen, wenn ich ein Kind mit einem Lutscher sehe.«
Ich lachte.
»Jetzt bist du dran.«
»Ich hab noch nie …« Ich wusste genau, was ich sagen wollte, war aber nicht sicher, ob ich es sagen sollte. »Ich war noch nie … verliebt.«
Er sah mich überrascht an. »Aber du warst verheiratet.«
»Ich dachte, ich würde ihn lieben. Aber allmählich komme ich zu der Überzeugung, dass es keine Liebe war.«
»Warum?«
Wir sahen uns an, und ich antwortete in Gedanken,
Weil es nicht so ist wie bei dir
, aber laut sagte ich: »Ich weiß nicht. Glaubst du, dass unerwiderte Liebe auch als echte Liebe zählt?«
»Die Antwort liegt in der Frage, oder nicht?«, sagte er langsam.
»Ja, aber wenn sie nicht erwidert wird, ist es dann für die betreffende Person trotzdem die richtige, volle Erfahrung?«
Er dachte nach, er dachte
wirklich
darüber nach, und ich erwartete eine sehr tiefsinnige Antwort. Aber er sagte einfach nur: »Ja.« Offensichtlich dachte er an Maria, aber ich war sicher, dass Maria ihn trotz ihres Ausrutschers mit Sean von Herzen liebte.
»Christine, warum sprechen wir über so was?«
Ich wusste es ehrlich nicht, ich konnte mich kaum noch erinnern, wie wir darauf gekommen waren. Ich hatte versucht, ihn abzulenken, und war stattdessen in meinen eigenen Gedanken gelandet.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich und fröstelte plötzlich.
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