Die Liebe deines Lebens
Sean nicht schlagen?«
»Nein.« Resigniert lehnte er sich zurück. »Ich wusste, was ich tun musste.«
»Einen Selbstmordversuch machen?«
»Hörst du endlich mal auf, dieses Wort zu benutzen?«
Ich schwieg.
»Was hätte es denn gebracht, wenn ich ihn verprügelt hätte? Oder eine Szene provoziert? Mich noch mehr zum Affen gemacht?«
»Vielleicht wärst du nicht mehr ganz so geladen gewesen.«
»Gewalt ist also plötzlich erstrebenswert?« Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich mich mit ihm geprügelt hätte, dann hättest du mich wahrscheinlich gefragt, warum ich nicht einen Spaziergang gemacht habe, um runterzukommen.«
»Deinem Freund eine zu scheuern, wenn er dir die Freundin wegnimmt, ist in jedem Fall besser als Selbstmord.«
»Würdest du mir jetzt endlich dieses Wort ersparen?«, knurrte er. »Herrgott nochmal.«
»Aber das ist es, was du versucht hast, Adam.«
»Und ich werde es wieder tun, wenn du deine Seite der Abmachung nicht einhältst«, brüllte er.
Seine Wut traf mich völlig unvorbereitet. Er stand auf und ging zur Balkontür, aus der man auf die O’Connell Street und die Dächer im Norden von Dublin sah.
Ich war sicher, dass zu Adams Geschichte noch weit mehr gehörte, als dass er sein Leben beenden wollte, weil seine Freundin ihn betrog. Wahrscheinlich war das für seine bekümmerte Seele der Auslöser gewesen. Aber ich hatte das Gefühl, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um nachzubohren. Er war wieder dabei, sich zu verkrampfen, wir waren beide müde und brauchten dringend Schlaf.
Offenbar war Adam der gleichen Meinung. Ohne sich zu mir umzudrehen, sagte er: »Du kannst im Schlafzimmer übernachten. Ich nehme die Couch.« Als ich nicht antwortete, wandte er sich zu mir um: »Ich gehe doch recht in der Annahme, dass du hierbleiben möchtest.«
»Wenn es dich nicht allzu sehr stört.«
Er dachte einen Moment nach. »Ich glaube, es wäre eine gute Idee.« Dann drehte er sich wieder zum Fenster und schaute über die Stadt.
Mir fielen eine Menge Dinge ein, die ich ihm zum Abschluss des Tages hätte sagen können, positive, ermutigende Dinge. Ich hatte genügend Ratgeber gelesen, da gab es solche Sätze wie Sand am Meer, aber keiner davon schien mir passend. Wenn ich Adam ernsthaft helfen wollte, war es nicht nur wichtig, was ich ihm sagte, sondern vor allem auch, wann.
»Gute Nacht«, sagte ich deshalb nur. Da es mir aber nicht gefiel, dass er Zugang zu einem Balkon hatte, ließ ich die Tür halb offen. Durch den Spalt beobachtete ich, wie er seinen Pullover auszog. Darunter kam ein enganliegendes T-Shirt zum Vorschein, und ich konnte es mir nicht verkneifen, ein bisschen länger als nötig hinzuschauen, während ich mir einredete, dass ich es nur seiner Sicherheit zuliebe tat – falls er sich mit seinem Pulli erwürgen wollte. Er setzte sich auf die Couch und wollte die Füße hochlegen, aber weil er zu groß war, musste er sie auf die Lehne platzieren. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich im Bett schlafen durfte. Gerade als ich es ansprechen wollte, kam er mir zuvor.
»Na, gefällt dir die Show?«, fragte er, die Augen geschlossen, die Arme unter dem Kopf.
Ich verdrehte die Augen, bekam aber einen roten Kopf und entfernte mich hastig von der Tür.
Dann saß ich auf dem Himmelbett, die Gläser klirrten neben mir, das geschmolzene Eis aus dem Kühler schwappte über aufs Bett. Ich stellte den Kübel auf den Schreibtisch. Als ich nach einer der lippenförmigen Pralinen griff, die auf dem Bett verteilt waren, fiel mein Blick auf die Karte.
»Für meine wunderschöne Verlobte. In Liebe, Adam.«
Er war also nach Dublin gekommen, um ihr einen Heiratsantrag zu machen. Aber ich war sicher, dass ich bisher bestenfalls die Oberfläche der ganzen Geschichte kannte, und nahm mir vor, den Abschiedsbrief in die Hände zu bekommen.
Eigentlich hatte ich geglaubt, die Nacht, in der ich zugesehen hatte, wie Simon Conway sich in den Kopf schoss, und die Nacht, in der ich meinen Mann verließ, und auch die Nächte danach wären die längsten meines Lebens gewesen. Aber da hatte ich mich wohl geirrt.
6 Wie man seine Gedanken beruhigt und in den Schlaf findet
Ich konnte nicht schlafen. Das war nicht ungewöhnlich, die Schlaflosigkeit verfolgte mich praktisch schon die letzten vier Monate, eigentlich seit dem Moment, als mir eingefallen war, dass ich meine Ehe beenden wollte. Der Gedanke war nicht hilfreich. Ich hatte nach einem Weg zu einem glücklichen, erfüllten Leben
Weitere Kostenlose Bücher