Die Liebe deines Lebens
stehe ich auch. Ich hab nur grade darüber nachgedacht.« Ich schluckte. »Hat deine Freundin eigentlich gewusst, wie es dir geht?«
»Maria? Keine Ahnung. Sie hat immer wieder gesagt, dass ich mich verändert habe. Dass ich ständig mit den Gedanken anderswo bin. Verschlossen. Nicht mehr wie früher. Aber nein, ich hab ihr nie gesagt, was ich denke.«
»Du warst depressiv.«
»Wenn du es so nennen möchtest. Es ist nicht sehr hilfreich, wenn man sich bemüht, fröhlich zu sein, und dann sagt einem jemand immer wieder, dass man sich verändert hat, dass man dauernd niedergeschlagen ist, langweilig, nicht spontan. Menschenskind, was hätte ich denn tun sollen? Ich hab nur versucht, den Kopf über Wasser zu halten.« Er seufzte. »Sie hat gedacht, es hat mit meinem Vater zu tun. Und mit dem Job.«
»War es denn so?«
»Ach, ich weiß nicht.«
»Aber das hat jedenfalls nicht geholfen«, vermutete ich.
»Nein, ganz sicher nicht.«
»Erzähl mir doch ein bisschen von dem Job, der dir Sorgen macht.«
»Na ja, jetzt komme ich mir ja schon fast vor wie beim Psychologen, wie ich hier liege und du da drüben sitzt.« Er blickte zur Decke hinauf. »Ich bin freigestellt worden, um bei der Leitung der Firma meines Vaters zu helfen, solange er krank ist. Ich hasse die Arbeit eigentlich, aber für eine begrenzte Zeit war es in Ordnung. Dann hat der Zustand meines Vaters sich verschlechtert, und ich musste länger bleiben. Es war schwer, die Leute in meinem eigentlichen Job dazu zu überreden, dass sie meinen Urlaub verlängern, aber die Ärztin sagt, mein Vater wird nicht mehr gesund. Dann habe ich letzte Woche erfahren, dass ich meine ursprüngliche Stelle verliere, weil man es sich dort nicht leisten kann, dass ich noch länger wegbleibe.«
»Du verlierst also deinen Vater und deinen Job. Und deine Freundin. Und deinen besten Freund«, fasste ich die Lage für ihn zusammen. »Und das alles innerhalb einer Woche.«
»Na, herzlichen Dank, dass du das so deutlich auf den Punkt bringst.«
»Ich habe vierzehn Tage Zeit, dich wieder hinzukriegen, da sollte ich lieber nicht um den heißen Brei herumreden«, meinte ich leichthin.
»Genau genommen sind es bloß noch dreizehn Tage.«
»Wenn dein Vater stirbt, wird aber nicht von dir erwartet, dass du die Leitung auch weiterhin übernimmst, oder?«
»Genau das ist ja das Problem. Die Firma ist ein Familienunternehmen. Mein Großvater hat sie meinem Vater vererbt, dann geht sie an mich und so weiter.«
Ich spürte, wie sich schon beim Reden eine Spannung in ihm aufbaute. Also musste ich sehr vorsichtig sein.
»Hast du deinem Vater gesagt, dass du den Job nicht haben willst?«
Er lachte leise und bitter. »Du kennst meine Familie nicht. Was ich sage, spielt keine Rolle. Ich muss den Job übernehmen, ob ich will oder nicht. Im Testament meines Großvaters steht, dass die Firma lebenslänglich meinem Vater gehört und dann an dessen Kinder geht, und wenn ich nicht einsteige, bekommt sie der Sohn meines Onkels, und seine Familie erbt das Ganze.«
»Und du wärst aus dem Schneider.«
Er vergrub den Kopf in den Händen und rieb sich frustriert die Augen. »Das setzt mich bloß noch mehr unter Druck. Schau, ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du dich so bemühst, aber du verstehst die Situation nicht. Es ist zu kompliziert, um es zu erklären – jahrelang hat sich diese Familienscheiße angesammelt, und ich stecke mittendrin.«
Mit zitternden Fingern fuhr er sich über die Jeans, rauf und runter, auf und ab. Wahrscheinlich merkte er es selbst nicht einmal. Zeit für einen Stimmungswechsel.
»Erzähl mir doch mal was von deinem eigentlichen Job. Von dem, den du magst.«
Als er mich ansah, hatte er plötzlich einen fast kindlich verspielten Ausdruck in den Augen. »Rate doch mal, was ich mache.«
Ich musterte ihn. »Bist du Model?«
Er schwang die Beine von der Couch und setzte sich auf, so schnell, dass ich schon dachte, er würde sich auf mich stürzen. Aber er starrte mich nur schockiert an. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Du bist also kein Model?«
»Wie kommst du überhaupt auf die Idee?«
»Weil …«
»Weil was?«
Er war ehrlich verdutzt, aber so lebhaft hatte ich ihn bisher noch nicht erlebt.
»Behaupte jetzt bloß nicht, dass dir das noch nie jemand gesagt hat.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Niemals.«
»Was? Nicht mal deine Freundin?«
»Nein!« Er lachte, ein ausgesprochen angenehmes Lachen, das ich unbedingt öfter hören wollte. »Du
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