Die Liebe deines Lebens
Simon-Conway-Erfahrung. Und jetzt auch noch Adam, von dem ich nicht mal den Nachnamen kannte, der vor vierundzwanzig Stunden versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, und der jetzt auf der Couch neben einer gutgefüllten Minibar in einem Penthouse-Zimmer mit Balkon lag und außerdem darauf wartete, dass ich mein Versprechen wahr machte, vor seinem fünfunddreißigsten Geburtstag in knapp zwei Wochen sein Leben wieder in Ordnung zu bringen, und der erneut versuchen würde, sich umzubringen, wenn ich das nicht schaffte.
Bei dem Gedanken wurde mir übel, und ich stieg aus dem Bett, um noch einmal nach ihm zu sehen. Der Fernseher war leise gestellt, die Farben flackerten und tanzten unruhig durchs Zimmer. Ich konnte sehen, wie Adams Brust sich gemächlich hob und senkte. Meinen zweiundvierzig Tipps zufolge konnte ich eine Menge tun, um einzuschlafen, aber während ich Adam bewachte, konnte ich lediglich Kamillentee trinken. Inzwischen knipste ich den Wasserkocher schon zum vierten Mal an.
»Also echt, schläfst du denn nie?«
»Tut mir leid, störe ich dich?«
»Nein, nur die Dampfmaschine da drin bei dir, die stört mich.«
Ich machte die Tür ganz auf. »Hast du vielleicht auch Lust auf eine Tasse Tee? Oh, anscheinend hast du ja genug zu trinken.« Auf dem Couchtisch standen drei kleine leere Flaschen Jack Daniels.
»Genug würde ich es nicht nennen«, sagte er. »Du kannst mich unmöglich vierundzwanzig Stunden am Tag beobachten. Früher oder später musst selbst du mal schlafen.« Endlich öffnete er die Augen und schaute mich an. Er sah nicht mal ansatzweise müde aus. Auch kein bisschen betrunken. Einfach nur schön. Perfekt.
Aber ich wollte ihm den wahren Grund – oder besser die wahren Gründe – für meine Schlaflosigkeit nicht verraten.
»Es wäre mir lieber, hier bei dir zu schlafen«, sagte ich.
»Wie gemütlich. Aber es ist noch ein bisschen früh nach der Trennung, deshalb passe ich lieber.«
Ich setzte mich trotzdem auf die Couch.
»Ich werde nicht vom Balkon springen«, versprach er.
»Aber du hast schon daran gedacht?«
»Selbstverständlich. Ich habe schon an jede Menge Methoden gedacht, wie ich mich in diesem Zimmer umbringen könnte. So was tu ich eben. Ich hätte mich beispielsweise anzünden können.«
»Aber es gibt einen Feuerlöscher. Ich hätte dich gelöscht.«
»Ich hätte mir mit meinem Rasierer im Bad die Pulsadern aufschneiden können.«
»Den habe ich versteckt.«
»Oder mich in der Badewanne ertränken. Oder zusammen mit dem Föhn ein Bad nehmen.«
»Beim Baden würde ich dir zuschauen. Außerdem ist der Föhn in Hotels grundsätzlich unauffindbar.«
»Ich hätte den Wasserkocher benutzen können.«
»Der kriegt ja kaum das Wasser heiß, der Stromschlag würde nicht mal ausreichen, um eine Maus zu töten. Viel Lärm, wenig Action.«
Er lachte leise.
»Und mit den Messern hier kriegt man kaum einen Apfel durch, von einer Vene ganz zu schweigen«, sagte ich.
Er sah sich das Besteck neben der Obstschale an. »Ich dachte, das behalte ich für mich.«
»Du denkst also sehr häufig darüber nach, wie du dich umbringen könntest?« Ich zog die Beine an und kuschelte mich in die Couchecke.
Einen Moment verzichtete er auf die Sarkasmus-Nummer und antwortete ernst: »Ja, das ist wie ein Zwang. Du hattest ganz recht mit dem, was du auf der Brücke gesagt hast – es ist so eine Art krankes Hobby für mich geworden.«
»Ganz so krass hab ich es nicht ausgedrückt. Aber man kann ja ruhig über etwas nachdenken, solange man es nicht in die Tat umsetzt.«
»Danke. Wenigstens lässt du mich meine Gedanken behalten.«
»Darüber nachzudenken tröstet dich offensichtlich, es ist deine Krücke, und die werde ich dir bestimmt nicht wegnehmen. Aber du brauchst noch andere Methoden, die dich unterstützen. Hast du schon mal mit jemandem darüber geredet?«
»Na klar, das ist meine Nummer eins beim Speed-Dating. Was glaubst du denn?«
»Hast du schon mal an eine Therapie gedacht?«
»Ich habe gerade eine ganze Nacht und einen ganzen Tag Therapie hinter mir.«
»Ich glaube, du könntest mehr davon brauchen als nur eine Nacht und einen Tag.«
»Therapie ist nichts für mich.«
»Wahrscheinlich wäre sie im Augenblick aber der richtige Weg.«
»Ich dachte,
du
wärst das.« Er sah mich an. »Hast du das nicht gesagt? Bleib bei mir, und ich zeige dir, wie wunderbar das Leben sein kann?«
Wieder stieg Panik in mir hoch, weil er sein ganzes Vertrauen in mich setzte.
»Ja, dazu
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