Die Liebe deines Lebens
achten, mich so zu platzieren, dass Adam Maria gut sehen konnte, und ich konnte nur hoffen, dass Maria das Seerosenblatt nicht auf den Boden schleuderte und darauf herumtrampelte. Ich war nämlich nicht sicher, ob ich Adam dann noch rechtzeitig davor zurückhalten konnte, sich in den Kanal zu stürzen.
Die Aufzugtüren öffneten sich, und heraus kam eine extrem hübsche Frau in engen schwarzen Jeans, Biker-Stiefeln und einem T-Shirt mit einer nackten Frau in aufreizender Pose. Maria hatte dichte, schwarz glänzende, perfekt kinnlang geschnittene Haare mit akkuratem Pony, große blaue Augen, eine perfekte Nase und sehr rote Lippen. So hatte ich mir sie überhaupt nicht vorgestellt – ich hatte eher den Typ Geschäftsfrau in Hosenanzug oder Kostüm erwartet –, aber ich wusste trotzdem sofort, wen ich vor mir hatte. Es waren die roten Lippen, die sie verrieten, und auf einmal ergab der Firmenname einen Sinn. Ich wusste, wer sie war, aber ich brachte keinen Ton heraus, sondern beobachtete gebannt, wie sie die Lobby durchquerte. Unwillkürlich stellte ich mir vor, was für ein schönes Paar sie und Adam waren. Bestimmt drehten sich überall die Leute nach ihnen um. Prompt konnte ich Maria noch weniger leiden. Gute altmodische Eifersucht, die mich furchtbar ärgerte. Bisher war ich ihr noch nie zum Opfer gefallen, ich war überhaupt nicht der Typ dafür. Andererseits war ich bisher ja auch ein zufriedener Mensch gewesen, der mit beiden Beinen fest im Leben stand, und im Moment war genau das Gegenteil der Fall – jede selbstsichere Person brachte mein ohnehin angeschlagenes Selbstbewusstsein noch mehr ins Wanken.
Die Frau am Empfang zeigte mit dem Finger auf mich, und Maria sah mich an. In der Zeit, als Peter und Paul noch mit mir sprachen, hatten sie mich morgens gern mit dem Ruf: »Oh, heute ist wohl mal wieder Casual Friday!« begrüßt, denn Jeans waren der Grundstock meiner Garderobe. Allerdings nicht nur die übliche Version. Ich besaß Jeans in fast jeder Farbe des Regenbogens und sparte auch beim Rest meiner Kleidung nicht mit Farbe. Meine Sachen waren wie ein großes Kaleidoskop, das dem Zweck diente, den Tag aufzuheitern, wenn alles andere fehlschlug. Mit Mitte zwanzig war ich von gedämpften Schwarzund Beigetönen auf diese Farbexplosion umgestiegen. Damals hatte ich das Buch
»Wie wir unsere Seele durch unsere Kleidung bereichern können«
gelesen und gelernt, dass Haut und Seele die Energie der Farben, die man trug, übernahmen, und dass triste Töne die Lebenskraft dämpften. Seit ich wusste, dass der Körper Farbe ebenso brauchte wie das Sonnenlicht, achtete ich darauf, immer mindestens ein buntes Element an mir zu tragen. Aber Maria war von Kopf bis Fuß in cooles Schwarz gekleidet, als wäre sie gerade aus einer
AllSaints
-Filiale spaziert, und da stand ich nun vor ihr wie ein Päckchen bunter Smarties, meine welligen dunkelblonden Haare unter einer gestreiften Wollmütze, die aussah, als hätte ich sie vom Set der Kinderserie
Zingzillas
geklaut. Meine Beach-Frisur musste regelmäßig gepflegt, zerzaust und mit viel Mühe so zurechtgezupft werden, dass meine Haare aussahen, als hätten sie keinerlei Sorge in der Welt, auch wenn sie eigentlich natürlich jede Menge Arbeit machten. Mein Haar kicherte, flirtete und flatterte im Wind, während Marias Pagenkopf mit dem akkuraten Pony der Herausforderung ins Gesicht lachte, als ob er sich jeder Rebellion gewachsen sehe.
Als Maria das Seerosenblatt entdeckte – was ja nicht zu übersehen war –, begann sie übers ganze Gesicht zu strahlen. Eine große Erleichterung durchströmte mich, aber ich drehte mich lieber nicht um, weil ich Angst hatte, Adams Standort preiszugeben.
Maria fing laut an zu lachen und schlug sich schnell die Hand vor den Mund, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Trotzdem hatte ich den Verdacht, dass sich die Nachricht von der Lieferung eines Seerosenblatts an Maria Harty wie ein Lauffeuer im Büro verbreiten würde.
»O mein Gott«, stammelte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. Es waren Freudentränen, Tränen der Erinnerung an einen Menschen aus einer anderen Zeit. Sie streckte die Hand nach dem Seerosenblatt aus. »Das ist wahrscheinlich die seltsamste Lieferung, die Sie je gemacht haben, oder nicht?«, meinte sie lächelnd zu mir. »Meine Güte, ich kann gar nicht glauben, dass er das getan hat, ich dachte, er hat es bestimmt vergessen. Es ist so, so lange her.« Sie hielt das Seerosenblatt zärtlich
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